Stolz und Leidenschaft: Roman (German Edition)
denn Dunkelheit verschlang sie.
Autsch. Jemand schlug sie auf die Wange. Caitrina drehte den Kopf zur Seite und schlug die Hand fort. »Aufhören!«
Ein Mann lachte. »Ich würde sagen, es geht ihr gut. Sieht so aus, als wäre ihr Temperament durch den Schlag auf den Kopf nicht sanfter geworden.«
Caitrina öffnete die Augen und blickte in vertraute blaue Tiefen. Begierig nahm sie jeden Zoll seines gutaussehenden Gesichts in sich auf. Es war wettergegerbt und hager und trug ein paar neue Narben, doch es bestand kein Zweifel.
Tränen stiegen ihr in die Augen, als sie ihm die Hand an die bärtige Wange legte. »Du bist es wirklich!«
Sein Mund kräuselte sich zu dem schelmischen Grinsen, das er vor so vielen Jahren perfektioniert hatte – lange bevor es sich als so verheerend auf die Mädchen aus dem Dorf ausgewirkt hatte. »Aye , Liebes. In Fleisch und Blut.«
Sie warf ihm die Arme um den Hals und schluchzte in das staubige Leder seines schweren, wattierten cotun . Niall. Gütiger Gott, er war es wirklich! Ihre Freude darüber, dass ihr Bruder von den Toten zurückgekehrt war, ließ sich nicht ermessen. Ihr war, als hätte soeben ein Lichtstrahl den dunklen Winkel in ihrem Herzen erhellt, den sie für immer verschlossen geglaubt hatte.
Und nun war er hier. Ihr nerviger, immer zu Neckereien aufgelegter, schwer von sich überzeugter Bruder war am Leben und allem Anschein nach wohlauf. Doch sie konnte sehen, dass auch er sich, wie sie, verändert hatte. Er war härter, trauriger, wütender.
Der heiße Kloß in ihrer Brust explodierte zu einem Sturzbach erstickter Tränen. Niall hielt sie fest und strich ihr übers Haar, während er beruhigende Worte murmelte. »Schhh, Caiti, alles ist gut, ich bin ja da.«
Sie löste sich von ihm und blinzelte die Tränen fort. Ihr war, als wäre sie gerade aus einem schrecklichen Traum erwacht. »Aber wie?« Ihre Augen wurden schmal, als die plötzliche Erkenntnis sie traf. »Warum hast du es mir nicht gesagt?« Sie versetzte ihm einen Schlag auf den Arm. »Wie konntest du mich so lange in dem Glauben lassen, du seist tot?«
Er lachte leise. »Da ist ja meine Schwester wieder. Ich hatte schon befürchtet, das süße, schluchzende Geschöpf in meinen Armen wäre jemand anderes.« Bedeutsam ließ er den Blick über sie schweifen. »Du siehst verändert aus, Caiti. Ich hätte dich beinahe nicht erkannt.« Er musterte das schmutzige
Kleid und das abgetragene arisaidh . »Was ist mit dir geschehen, Mädchen?«
Ein trockenes Lächeln spielte um ihre Lippen. »Ich habe mich verändert.«
»Das sehe ich. Die verdammten Campbells haben Bettler aus uns allen gemacht.«
Bei Nialls Wut wünschte sie sich, sie hätte den neuen Stoff gekauft, wie Jamie es verlangt hatte, doch jetzt war vermutlich nicht der richtige Zeitpunkt, um darauf hinzuweisen, dass Niall und Jamie in Bezug auf ihre Kleidung einer Meinung waren. Stattdessen fragte sie: »Wo bist du gewesen, Niall?«
»Ich werde dir alles erklären, aber zuerst musst du mit mir kommen.« Er stand auf und streckte ihr die Hand hin, um ihr aufzuhelfen.
Sie sah sich um und stellte zum ersten Mal fest, dass sie sich nicht mehr im Wald, sondern in einer Höhle befanden. Der Tunnel aus Stein war dunkel und modrig, die Luft kühl und feucht. »Wo sind wir? Wie bin ich hierhergekommen?«
»Wir sind in einer Höhle in der Nähe von Ascog, und was das betrifft, wie du hierhergekommen bist, ich habe dich getragen.« Niall rieb sich den Rücken. »Für so ein winziges Mädchen wiegst du jedenfalls eine Menge.« Sie versetzte ihm erneut einen Klaps, und er lachte. »Nachdem du in Ohnmacht gefallen warst …«
Also das verlangte umgehend eine Antwort! Brüskiert straffte sie die Schultern. »Ich falle nicht in Ohnmacht.«
»Doch, jetzt tust du das.« Niall grinste wieder, und wenn sie nicht so glücklich darüber gewesen wäre, ihn wiederzusehen, hätte sie ihn erschießen können.
Sie öffnete schon den Mund, um ihm ein paar wohlgesetzte Worte zu diesem Thema angedeihen zu lassen, doch er unterbrach sie.
»Ich glaube, unter diesen Umständen ist das verständlich.« »Ist es nicht so, Seamus?«, rief er zu einem der Männer hinüber, die den Eingang der Höhle bewachten.
»Aye , Chief, absolut verständlich.«
Chief. Caitrina fing Seamus’ Blick auf und langsam dämmerte es ihr. Natürlich. Niall war Chief der Lamont – oder wäre es, wenn bekannt wäre, dass er noch lebte. Seamus’ Verhalten ergab plötzlich einen
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