Stolz und Verfuehrung
ihrem Weg abbrachten.
Denn sie war nach Colyton gekommen, um den Familienschatz zu finden. Sie hatte sich, wenn auch nicht sonderlich erfolgreich, als Gastwirtin ausgegeben, um sich die Jagd auf besagten Familienschatz zu erleichtern. Es war nicht Teil ihres Plans, die Geliebte ihres Dienstherrn oder irgendeines anderen Mannes zu werden.
Schlimmer noch, mitten in die Erinnerungen an die letzte Nacht schoben sich verschwommen die Worte, die sie in jenem Moment gehört hatte - oder zu hören glaubte -, nachdem er zum zweiten Mal über ihr zusammengesunken war, sich erschöpft, dankbar und gleichzeitig hilflos in ihr verströmt hatte: »Du bist mein. Nur mein.«
Es war nur, dass ...
Em verzog das Gesicht, schlug ihre Decken zurück und stand auf. Es kümmerte sie nicht, dass sie immer noch nackt war. Rasch fand sie ihren Morgenmantel, schlüpfte hinein und widmete sich dann entschlossen ihrer Morgentoilette; Hilda und die Mädchen konnte sie bereits in der Küche rumoren hören.
Während sie sich wusch und ankleidete, kämpfte sie mit ihrer Erinnerung und versuchte, jene aufschlussreichen Sekunden zurückzuholen, in denen er die Worte geflüstert hatte.
Nachdem sie die letzten Handgriffe an ihrer Frisur erledigt hatte, schnitt sie im Spiegel eine Grimasse, erhob sich und eilte zur Tür.
Ihr Problem bestand darin, dass sie sich nicht erinnern konnte, ob sie ihn die Worte tatsächlich hatte brummen hören -oder ob sie selbst so fest daran gedacht hatte, dass sie sich in ihrem Kopf verankert hatten.
Kaum hatte Em ihr Zimmer verlassen, nahmen die Gaststätte und ihre Familie sie vollkommen in Anspruch. Ihr blieb keine Zeit mehr, sich über das Woher und Wohin den Kopf zu zerbrechen, geschweige denn über die möglichen Folgen ihrer verbotenen Nacht. Sie tauchte ein in den Wirbel der alltäglichen Geschäftigkeit und hieß darüber hinaus Übernachtungsgäste willkommen - die ersten, die das Haus seit fünf Jahren sah, wie man ihr erklärte.
»Habe in Exeter gehört, dass das Red Beils wieder ordentlich geführt wird«, meinte einer der Reisenden, ein gewisser Mr Dobson, »Vorjahren bin ich sehr oft hier abgestiegen. Ich komme alle paar Monate hier vorbei. Dachte, dass es sich wieder lohnen könnte, besonders, als ich von der Speisekarte hörte.«
Em lächelte freundlich. »Wir freuen uns sehr, dass Sie es wieder versuchen wollen. Wenn Sie bitte Mary folgen würden, sie wird Ihnen Ihr Zimmer zeigen. Ihr Gepäck wird in Kürze nach oben gebracht. Lassen Sie es Edgar wissen, wenn Sie irgendetwas benötigen.«
Der Mann tippte sich an den Hut und folgte Mary - einem der beiden Dienstmädchen, die Em angeheuert hatte - die Treppe hinauf. Unter ihrer Anleitung hatten die beiden Mädchen und die drei Wäscherinnen sich ins Zeug gelegt und die Zimmer im Obergeschoss wieder in einen bewohnbaren Zustand gebracht.
Das Ergebnis hatte Em angenehm überrascht. Jetzt blieb abzuwarten, wie ihre neuen und zurückkehrenden Gäste auf die frisch gestrichenen weißen Wände reagierten, auf die strahlend sauberen Laken und die frisch gestopften Kissen und Matratzen. Auch die Vorhänge und die Polster waren gereinigt worden; alles in allem hatte es eine Woche gedauert, bis sie mit dem Zustand der vier Zimmer, deren Fenster auf den vorderen Hof des Gasthauses hinausgingen, zufrieden gewesen war, und nur diese Zimmer hatte sie zum gegenwärtigen Zeitpunkt für Gäste geöffnet.
Am Vormittag hatte Em in der Gaststube nach dem Rechten gesehen, mit den Stammgästen geplaudert, die Bestellungen durchgesehen und neue Gäste willkommen geheißen. Um elf Uhr, nachdem Mary ein altes Paar, das sich auf einer Besichtigungsreise durch das Land befand, nach oben in das dritte Zimmer geführt hatte, bat sie das Mädchen, am nächsten Tag seine Schwester mitzubringen, sodass sie auch die verbliebenen Zimmer rasch instand setzen konnten. Em wollte keinen potenziellen Gast fortschicken müssen. Denn jeder Gast, der im Haus übernachtete, würde dort zwangsläufig auch essen und trinken, und der höhere Gewinn würde die Mittel für die zusätzlichen Arbeitskräfte wieder einspielen.
Sie würde mit Jonas, ihrem Dienstherrn, über die Einstellung der zusätzlichen Kräfte sprechen müssen; entschlossen verbannte sie jeden weiteren Gedanken an ihn und die vergangene Nacht aus ihrem Kopf. In dem schmalen Flur vor ihrem Büro blieb sie stehen und ließ den Blick durch die Gaststube schweifen. Erfreulich geschäftig strömten die Gäste ins Haus, angelockt
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