Stolz und Verfuehrung
rückte näher und senkte die Stimme. »Es ist so, dass Harriet, Miss Hellebore, glaubt, das Rätsel gelöst zu haben. Ihres. Das mit dem höchsten Haus. Aber ganz sicher ist sie sich nicht.« Die unterdrückte Aufregung sprach aus jedem Wort der alten Dame, doch sie bemühte sich um eine ernsthafte Miene. »Sie hat mich gebeten, Sie zu holen, sodass Sie selbst beurteilen können, ob ihre Gedanken irgendeinen Sinn ergeben.«
Hoffnung keimte in Ems Blick auf, als sie Jonas anschaute.
Er nickte und warf einen Blick zurück zu ihrem Büro, während er ihr die Hand auf den Rücken legte. »Wir können gleich aufbrechen. Die Buchhaltung läuft uns nicht weg.«
Jonas drängte sie durch die Gaststube zur geöffneten Tür. Vier neue Gäste, zwei alte Bauern, einige Stammgäste und, mit gesenktem Kopf tief im Schatten eines Alkovens verborgen, Hadley, der emsig zeichnete - das waren die einzigen Zeugen, die Sweeties aufgeregte Ankunft und den Hoffnungsschimmer in Ems Blick bemerkt hatten.
Jonas machte sich keinerlei Illusionen über seine Mitmenschen. Obwohl er keine Ahnung hatte, ob der Colyton-Schatz wirklich existierte, geschweige denn von beträchtlichem Wert war, sah er keinen Nutzen darin, die Existenz eines verborgenen Schatzes hinauszuposaunen.
Von Anfang an hatte er es für klug gehalten, in der Öffentlichkeit nichts über ihre Jagd verlauten zu lassen. Während Sweeties Aufregung kaum mehr als ein Lächeln hervorrufen würde, würde Em, die gewöhnlich weitaus nüchterner auftrat, die Neugier der Leute wecken, wenn sie ihre Aufregung zu offen zeigte.
Miss Hellebores Häuschen lag direkt an der Straße neben dem Vorgarten von Colyton Manor.
Kurz bevor sie es erreicht hatten, wurde die Tür geöffnet, und Harold Potheridge trat ins Freie. Er wirkte erschrocken, als er sie erblickte. Das galt auch umgekehrt.
Mit ausdrucksloser Miene wich Em aus. Sweetie ebenso.
Potheridge zögerte, schritt dann mit einem distanzierten Nicken an ihnen vorbei.
Jonas ließ ihn passieren und beobachtete, wie er sich nur umschaute, bevor er das Gartentor schloss und die Straße hinuntereilte.
Sweetie erschauderte. »Was für ein uninspirierender Mann!«
Jonas warf Em einen Blick zu und bemerkte, wie ihre Mundwinkel zuckten.
»Wie gut, dass er jetzt das Haus verlassen hat«, sagte Em, »schließlich wollen wir nicht, dass er lauscht.«
»Nein, in der Tat, das wollen wir nicht.« Sweetie ging ins Haus, wartete, bis alle sich in der Halle versammelt hatten, schlug die Tür zu und schloss sie ab. »Jetzt kann man uns weder unterbrechen noch belauschen.« Sie winkte die beiden in das vordere Zimmer. »Harriet wartet im Wohnzimmer.«
Sie entdeckten Miss Hellebore in ihrem Lieblingssessel zwischen Kamin und Fenster. Die Augen der alten Dame glänzten ebenso aufgeregt wie Sweeties.
»Dieser Ort, nachdem Sie gesucht haben. Plötzlich ist es mir eingefallen.« Miss Hellebore wartete, während sie auf dem schmalen Sofa Platz nahmen und Sweetie sich in dem anderen Lehnstuhl niederließ. »Ich habe hier gesessen«, fuhr sie fort, »habe wie so oft einfach auf den Gemeindeanger hinausgeschaut ... und dann war plötzlich alles klar.«
Mit einer Handbewegung dirigierte sie die Blicke aus dem Fenster. Jonas, Em und Sweetie sahen das entfernte Ende der Straße, die Gemeindewiese mit dem Ententeich und den Anstieg zum Hügel, auf dessen Gipfel sich die Kirche befand.
Miss Hellebore wartete, während ihre Gäste die Szenerie betrachteten, und verkündete dann mit ruhiger Stimme: »Das höchste Haus, das Haus des Höchsten. Ich glaube, Sie müssen die beiden Formulierungen als zwei getrennte Teile ein und derselben Beschreibung auffassen. Als zwei Hinweise, nicht als Wiederholung eines und desselben. Außerdem müssen Sie wissen, dass das Dorf immer sehr stolz auf seine Kirche war. Und Sie sollten daran denken, dass das Haus Gottes in früheren Zeiten oft als ...«
»... das Haus des Höchsten bezeichnet worden ist.« Em stockte der Atem. Den Blick hatte sie fest auf die Kirche geheftet, die sich scharf vom blauen Vormittagshimmel abhob, als sie langsam den Kopf schüttelte. »Die ganze Zeit über war sie da, vor unser aller Augen.«
»Wenn Sie sich die Kirche als das Haus Gottes vorstellen, dann ist sie das höchste Haus, das höchste Gebäude in der Gegend. Und das unterste Gelass«, Jonas erhob sich, löste den Blick von der Kirche und schaute Em an, »das kann nur die Gruft sein.«
Sie fing seinen Blick auf. »Ein Schrein ihn fasst,
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