Stolz und Verfuehrung
und sah Jonas in dem kleinen Korridor vor ihrem Büro. »Ich bin allen sehr dankbar, die bei der Suche geholfen haben.« Jonas wartete. Mit einem freundlichen Lächeln verabschiedete sie sich von Hadley: »Wenn Sie mich bitte entschuldigen wollen?«
Sein Lächeln wirkte oberflächlich, als er wieder nach seinem Skizzenbuch griff. Sie verließ ihn mit einem Nicken und konzentrierte ihre Sinne und Gedanken sofort auf Jonas.
Em begrüßte ihn mit einem Lächeln, dessen Wärme tief aus ihrem Innern drang, und legte ihm die Hand auf den Arm. »Sie werden oben schon auf uns warten, wir sollten hochgehen«, sagte sie.
Er musterte sie aufmerksam. Die harten Konturen seines Gesichts wurden weicher. »Ja. Lass uns gehen.«
Er zog sie in den Korridor. Kurz bevor sie im Dämmerlicht verschwand, ließ sie ihren Blick noch einmal durch die Gaststube schweifen - und stellte fest, dass Hadley Jonas und sie anstarrte.
Trotz der Entfernung schien seine Miene düster.
Konnte es sein, dass der Künstler eifersüchtig war?
Em lächelte in sich hinein und schob die Vorstellung als absurd beiseite. Zweifellos war Hadley einfach nur grüblerisch, wie Künstler nun einmal so waren. Sie drehte sich um und wollte Jonas folgen, der sie in diesem Moment an sich zog und küsste. Nach allen Regeln der Kunst.
Wie konnte es sein, dass ein Kuss ohne hitzige Leidenschaft so verzehrend war?
Dieser Kuss war ein Kuss zwischen Liebenden, die genau wussten, wo sie standen - der ihr aber dennoch beinahe den Verstand raubte und ihre Sinne taumeln ließ.
Jonas beendete den Kuss und hob den Kopf. Em schlug die Augen auf und erwiderte sein zufriedenes Lächeln. Dann räusperte sie sich und verkündete: »Mittagessen.«
Lachend nahm er ihre Hand. »Einverstanden. Mittagessen. Wenn es das ist, was du willst.«
Ja, sicher war es das, ermahnte sie sich selbst.
Und führte ihn mit flatternden Nerven über die Treppe hinter der Küche hinauf ins Obergeschoss.
Am nächsten Vormittag trafen Em und Jonas sich wie jeden Montag und prüften die Bücher des Gasthauses.
»Du hattest recht.« Jonas blätterte im Kassenbuch, verglich die Einnahmen der vergangenen Wochen mit denen der letzten Zeit. »Der Gewinn, den du allein mit den Gästen aus dem Dorf schon beträchtlich erhöht hast, steigt noch einmal erheblich, wenn wir zahlende Gäste aufnehmen.«
»Dann bist du also einverstanden, dass ich Riggs die vorderen Fensterläden streichen lasse und noch einige Mädchen einstelle, damit wir auch die restlichen Gästezimmer öffnen können?« Em zog die Brauen hoch und schaute ihn fragend an.
Jonas lehnte sich zurück. »Es kommt mir vor, als hättest du schon sämtliche verfügbare Mädchen aus der Gegend angeheuert.«
»Beinahe. Aber Mrs Hillard von der Farm an der Kreuzung hat zwei Töchter, die sie in Dienst geben muss. Allerdings möchte sie die beiden viel lieber hier arbeiten sehen als anderswo, jedenfalls solange sie noch so jung sind. Hillard oder sie könnten sie jeden Abend abholen und nach Hause bringen, und alle wären zufrieden.«
Er dachte einen Moment lang nach. »Ich stimme dir zu, was die Hillard-Mädchen betrifft. Aber wir müssen aufpassen, dass wir uns nicht übernehmen.«
Em war klar, was er ihr insgeheim zu verstehen geben wollte; lächelnd senkte sie den Kopf und machte sich ein paar Notizen. »Natürlich hast du recht. Wir können nur Leute einstellen, die wir auch wirklich brauchen. Ich habe mit Phyllida über die Colyton Import Company gesprochen und darüber, wie alles angefangen hat. Ich stimme ihrer Philosophie zu. Für die Menschen und ihr Selbstwertgefühl ist es wichtig, nicht aus
Gründen der Wohltätigkeit beschäftigt zu werden, sondern weil ihre Arbeit geschätzt wird.« Mit einem schwungvollen Schnörkel vervollständigte sie ihre Notizen. »Schließlich sind wir ein Wirtschaftsbetrieb und verteilen keine Almosen.«
In der Gaststube waren trippelnde Schritte zu hören, und sie sah auf.
»Miss Colyton! Oh, Miss Colyton!«
»Das ist Sweetie.« Jonas schob den Stuhl zurück und erhob sich, als Em ebenfalls aufstand und hinter dem Schreibtisch hervorkam. Er folgte ihr in den Schankraum, wo Sweetie erfreut und ungeduldig auf sie wartete.
Mit strahlendem Blick stürzte sie sich auf Em und umklammerte ihr Handgelenk. »Da sind Sie ja endlich, meine Liebe.« Sie strahlte Jonas an. »Was für ein Glück, dass Sie ebenfalls hier sind, mein lieber Junge.« Verschwörerisch ließ Sweetie den Blick durch den Raum schweifen,
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