Stolz und Vorurteil - Vollständige Ausgabe (German Edition)
Louisa«, sagte Mr. Bingley, »aber mir ist das alles gar nicht aufgefallen. Ich fand, Miss Bennet sah ungewöhnlich nett aus, als sie heute morgen hier hereinkam. Den schmutzigen Rock habe ich überhaupt nicht bemerkt.«
»Aber Ihnen ist er bestimmt nicht entgangen; nicht wahr, Mr. Darcy?« sagte Caroline, »und ich glaube, Sie würden Ihre Schwester höchst ungern in einem solchen Aufzug sehen!«
»Allerdings!«
»Zwei, drei Meilen oder vier oder wie viele es nun sein mögen, knöcheltief im Matsch herumzulaufen und dazu noch allein ganz allein! Was kann sie sich nur dabei gedacht haben! Ich kann es mir nur so erklären, daß sie ihre eingebildete Selbständigkeit zur Schau stellen wollte, die in Wirklichkeit nur einen bäuerlichen Mangel an Anstand beweist!«
»Ich sollte meinen, daß es eine große schwesterliche Zuneigung beweist«, meinte Bingley.
»Ich fürchte«, wandte sich Caroline halblaut an Darcy, »daß Ihre Bewunderung für ein Paar dunkle Augen jetzt doch etwas gelitten hat!«
»Im Gegenteil«, erwiderte er, »die Augen glänzten besonders schön in dem erhitzten Gesicht.«
Diese Antwort kam so unerwartet, daß die Gesellschaft für kurze Zeit schwieg, bis Mrs. Hurst wieder begann: »Ich mag Jane Bennet wirklich ungewöhnlich gut leiden; sie ist ein sehr liebes Mädchen, und ich wünsche ihr von ganzem Herzen eine gute und glückliche Ehe. Aber mit dem Vater und mit der Mutter, ganz abgesehen von der übrigen zweifelhaften Verwandtschaft, sehe ich gar keine Möglichkeiten für sie.«
»Ich dachte, du sagtest, ihr Onkel sei Anwalt in Meryton.« »Das stimmt auch; aber sie hat noch einen, der irgendwo mitten im Geschäftsviertel von London wohnt.«
»Das ist doch fabelhaft«, fügte ihre Schwester hinzu, und beide mußten herzlich lachen.
»Und wenn das ganze Geschäftsviertel voll von ihren Verwandten wäre«, rief Bingley, »das sagt doch nichts gegen Jane und ihre Schwester.«
»Nein, aber nüchtern gesehen, setzt es ihre Aussichten, einen auch nur einigermaßen annehmbaren Mann zu bekommen, erheblich herab«, erwiderte Darcy.
Bingley antwortete nicht darauf; doch seine Schwestern stimmten Darcy eifrig bei und spannen dann das erheiternde Thema der Bennetschen Verwandtschaft noch eine ganze Weile aus.
Sie vergaßen jedoch darüber nicht ihre zärtlich empfundene Freundschaft zu ihrem Gast und machten Jane kurz vor dem Tee wieder einen kleinen Besuch. Es ging ihr immer noch nicht gut, und Elisabeth blieb bei ihr, bis sie endlich spät abends in einen ruhigen Schlaf fiel; erst dann entschloß sich Elisabeth, allerdings mehr aus Höflichkeit, wieder nach unten zu gehen, denn irgendein Vergnügen versprach sie sich nicht davon. Ihre Gastgeber waren beim Kartenspiel, und sie wurde sogleich aufgefordert, sich zu beteiligen. Sie lehnte es indessen ab, da sie fürchtete, es könne zu hoch gespielt werden, und bat, sich für die kurze Zeit, die sie ihre Schwester allein lassen wollte, mit einem Buch beschäftigen zu dürfen. Mr. Hurst blickte sie mit unverhohlenem Erstaunen an.
»Ziehen Sie etwa ein Buch einem Kartenspiel vor?« fragte er. »Wie merkwürdig!«
»Miss Bennet«, sagte Caroline, »mag die Karten nicht. Sie ist eine große Bücherfreundin und hat an etwas anderem keinen Spaß.«
»Ich weiß nicht, ob das ein Lob oder ein Tadel sein soll«, antwortete Elisabeth, »aber ich verdiene beides nicht. Ich bin kein Bücherwurm, und es gibt noch viele andere Dinge, die mir Vergnügen machen!«
»Sie werden gewiß eine große Befriedigung darin finden, Ihre Schwester zu pflegen«, sagte Bingley freundlich. »Ich hoffe nur, daß Sie auch bald die Freude haben werden, sie wieder gesund und wohlauf zu sehen.«
Elisabeth lächelte ihm dankbar zu und wandte sich dann zu einem Tisch, auf dem ein paar Bücher lagen. Bingley erbot sich sogleich, ihr weitere zu holen, seine Bibliothek stehe ihr ganz zur Verfügung.
»Ich wünschte, meine Sammlung wäre vollständiger; aber ich bin so faul, daß ich nicht einmal die wenigen, die sie enthält, alle gelesen habe.«
Elisabeth versicherte ihm, daß sie sehr wohl mit den Bänden auf dem Tisch auskommen könne.
»Merkwürdig«, sagte Caroline, »daß unser Vater uns nicht eine größere Bibliothek hinterlassen hat, so eine wie Ihre, Mr. Darcy, auf Pemberley, das ist wirklich eine großartige Sammlung!«
»Kein Wunder!« erwiderte er, »da ja Generationen sich an dem Sammeln und Zusammentragen beteiligt haben.«
»Und Sie selbst setzen die Arbeit
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