Stolz und Vorurteil - Vollständige Ausgabe (German Edition)
aufgeregten Stimmen der Kleinen und von der sich etwas gedämpfter äußernden Fröhlichkeit der Erwachsenen wider. Der Tag verging nur allzu schnell; den Nachmittag brachte man mit Einkäufen und Besorgungen zu, und am Abend wurde ein Theater besucht.
Elisabeth verstand es, den Platz neben ihrer Tante zu erwischen. Das Wichtigste — Jane — wurde zuerst besprochen; und so sehr es sie schmerzte, es erstaunte sie nicht, auf ihre eindringlichen Fragen erfahren zu müssen, daß trotz Janes heldenhaftem Bemühen, sich nichts anmerken zu lassen, ihre Niedergeschlagenheit sie doch bisweilen überwältigte. Aber man durfte wohl annehmen, daß sie ihren Kummer bald ganz verwunden haben würde. Dann begann Mrs. Gardiner ihre Nichte mit Wickham aufzuziehen; sie freue sich außerordentlich, daß Elisabeth mit ihrer Enttäuschung so gut fertig geworden sei.
»Aber, meine liebe Lizzy«, fügte sie hinzu, »was für ein Mädchen ist denn diese Miss King? Es täte mir sehr leid, wenn bei unserem Freund dabei eine Berechnung mitgespielt hätte.«
»Ich bitte dich, liebe Tante, kannst du mir etwa sagen, worin der Unterschied zwischen einer Geld- und einer Vernunftheirat besteht? Zu Weihnachten warst du sehr besorgt, er könnte mich heiraten wollen; denn das wäre unklug. Und jetzt nennst du ihn plötzlich berechnend, nur weil er versucht, ein Mädchen mit knappen zehntausend Pfund zu gewinnen!«
»Sag’ du mir bloß, was für ein Mädchen Miss King ist, dann weiß ich schon, woran ich bin.«
»Ich glaube, sie ist ein sehr nettes und ordentliches Mädchen. Ich habe wenigstens noch nie etwas anderes von ihr gehört.«
»Aber er schenkte ihr doch nicht die geringste Beachtung, bevor sie durch den Tod ihres Großvaters in den Besitz dieses Vermögens gelangte?«
»Nein — warum sollte er denn auch? Wenn es ihm schon versagt sein sollte, meine Liebe zu gewinnen, weil ich kein Geld habe, was hätte er dann davon gehabt, sich um ein Mädchen zu bemühen, aus dem er sich nichts machte und das eher noch weniger als ich mit in die Ehe bringen konnte?«
»Aber mir scheint das doch ein Mangel an Feingefühl zu sein, daß er ihr seine Aufmerksamkeit so unmittelbar nach dem Todesfall beziehungsweise der Erbschaft zuwendet.«
»Wenn sich ein Mann in einer Zwangslage befindet, dann hat er nicht die Zeit, auf alle Formen zu achten, auf die andere Leute Wert legen mögen. Und wenn sie nichts dagegen einzuwenden hat, warum sollte er sich dann Gedanken machen?«
»Ihre Gleichgültigkeit entschuldigt ihn nicht. Sie beweist höchstens, daß es ihr auch an irgend etwas fehlt, an Verstand oder an Herz!«
»Nun gut«, meinte Elisabeth, »halte es, wie es dir Spaß macht: soll er denn berechnend sein und sie dumm!«
»Nein, Lizzy, das würde mir gar keinen Spaß machen. Ich möchte nicht gern etwas Schlechtes von einem Menschen denken, der so oft bei euch verkehrte.«
»Ach, wenn es weiter nichts ist! Ich habe alle diese jungen Leute bis dahin satt! Gott sei Dank! Wenn man es sich genau überlegt, sind dumme Männer die einzigen, die sich wirklich lohnen!«
»Lizzy, Lizzy, das schmeckt aber sehr nach sauren Trauben!«
Bevor der Abend um war, hatte sie die unerwartete Freude, von ihrer Tante und ihrem Onkel zu einer Vergnügungsreise eingeladen zu werden, die für den Sommer geplant war.
»Wir sind uns noch nicht ganz klar, wie weit wir fahren wollen«, meinte Mrs. Gardiner, »aber wir denken, wir werden bis in den Seen-Distrikt kommen.«
Der bloße Gedanke daran erschien Elisabeth schon unwahrscheinlich schön, und sie nahm die Einladung voller Freude und Dankbarkeit an.
»Meine liebe, liebste Tante«, rief sie überglücklich aus, »was für eine Überraschung! Lebt wohl, Enttäuschungen und dumme Gedanken! Was bedeuten Männer neben Wäldern und Bergen? Ach, was für eine herrliche Reise das werden wird! Und wenn wir zurückkehren, dann nicht so wie alle anderen, die niemals wissen, wo sie gewesen sind und wie es dort ausgesehen hat. Wir werden uns immer an alles erinnern, was wir gesehen und was wir erlebt haben! Ach, was werden wir alles von unterwegs zu erzählen haben!«
28. KAPITEL
A m nächsten Tag befand sich Elisabeth in einer strahlenden Verfassung, in der ihr alles herrlich erschien. Janes Aussehen hatte alle ihre Befürchtungen vertrieben, und der Gedanke an die Sommerreise nach dem Norden entzückte sie immer wieder aufs neue.
Als sie schließlich am Ende ihrer Reise von der Landstraße in den Seitenweg nach Hunsford
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