Stolz und Vorurteil - Vollständige Ausgabe (German Edition)
sobald man es fertigbrachte, Mr. Collins zu vergessen, nahm das ganze Haus ein neues Gesicht von Ruhe und Zufriedenheit an.
Elisabeth war nicht lange in Unkenntnis davon gelassen worden, daß Lady Catherine sich zur Zeit auf Rosings aufhalte, und während des Essens kam das Gespräch wieder darauf zurück.
»Ja, Miss Elisabeth«, meinte Mr. Collins, »Sie werden am nächstfolgenden Sonntag die große Ehre haben, Lady Catherine de Bourgh in der Kirche zu sehen, und ich brauche wohl nicht hinzuzufügen, daß Sie von ihr entzückt sein werden. Sie ist ganz Leutseligkeit und Wohlwollen, und ich hege nicht den geringsten Zweifel, daß auch Ihnen nach der Predigt die Ehre ihrer Aufmerksamkeit zuteil werden wird. Ich glaube, nicht zu viel zu versprechen, wenn ich meiner Meinung Ausdruck gebe, daß sowohl Sie wie meine Schwägerin Maria in jede Einladung mit eingeschlossen sein werden, die während Ihres Aufenthaltes in meinem bescheidenen Heim entgegenzunehmen wir die Ehre haben werden. Ihr Verhalten gegenüber meiner lieben Charlotte ist ganz reizend. Wir speisen zweimal wöchentlich auf Rosings, und nie will Lady Catherine auch nur etwas davon hören, daß wir zu Fuß nach Hause zurückkehren. Pünktlich erwartet uns jedesmal ihr Wagen vor dem Eingang. Oder ich sollte vielleicht besser sagen, einer ihrer Wagen, denn Lady Catherine besitzt selbstverständlich deren mehrere.«
»Lady Catherine ist wirklich eine sehr vornehme und kluge Dame«, fügte Charlotte hinzu, »und eine höchst liebenswürdige Nachbarin.«
»Ganz recht, meine Liebe, ganz recht; genau, was ich immer zu sagen pflege. Sie gehört zu den Menschen, denen man gar nicht genügend Ehrerbietung bezeugen kann.«
Man verbrachte den Abend damit, alle Neuigkeiten aus Hertfordshire zu berichten, auch die schon brieflich erwähnten. Und als Elisabeth später in ihrem Zimmer allein war, stellte sie noch einmal Betrachtungen über Charlottes große Zufriedenheit an, bedachte den Takt, mit dem sie ihren Mann führte, den Gleichmut, mit dem sie ihn ertrug; und sie mußte zugeben, daß ihre Freundin in all dem großes Geschick bewies. Sie stellte sich danach vor, wie ihr weiterer Aufenthalt sich hier abspielen würde die ruhige Muße allein und das heitere Zusammensein mit ihrer Freundin, die lästigen und langweiligen Unterbrechungen durch ihren Gastgeber und den Glanz der Feste auf Rosings. In Elisabeths lebhafter Phantasie verschmolz das alles zu einem farbenfrohen Bild.
Als Elisabeth am folgenden Vormittag sich zu einem Spaziergang zurechtmachte, ertönte plötzlich von unten ein Lärm, als befinde sich das ganze Haus in höchster Aufregung. Gleich darauf hörte sie jemand den Flur entlanglaufen und laut ihren Namen rufen. Sie öffnete die Tür und fand Maria davor, die ihr atemlos vor Erregung zurief: »Ach Lizzy, mach schnell und komm ins Eßzimmer herunter; du ahnst nicht, was du da zu sehen bekommen wirst! Ich will nichts verraten. Komm, so schnell du kannst!«
Elisabeth fragte vergebens, Maria wollte nichts weiter sagen, und so eilten sie denn beide hinunter ins Eßzimmer. Vom Fenster aus konnten sie das Wunder sehen. Es bestand in zwei Damen, die in einem niedrigen Zweispänner vor der Tür hielten.
»Weiter ist es nichts?« rief Elisabeth. »Ich dachte mindestens, die Schweine wären in den Garten geraten, und hier zeigst du mir bloß Lady Catherine und ihre Tochter!«
»Aber Lizzy«, sagte Maria, ganz entsetzt über Elisabeths Irrtum, »das ist doch nicht Lady Catherine; die alte Dame ist Mrs. Jenkinson, Miss de Bourghs Erzieherin, die noch auf Rosings lebt; und die andere ist allerdings Miss de Bourgh selbst. Sieh sie dir doch nur einmal an, wie klein sie ist. Ich hätte nicht gedacht, daß man so zierlich sein könnte!«
»Ob klein oder nicht, es ist abscheulich unhöflich und rücksichtslos von ihr, Charlotte da draußen in der Kälte stehen zu lassen. Warum kommt sie nicht herein?«
»Oh, Charlotte sagt, das tut sie fast niemals. Das ist eine ganz große Ehre, wenn Miss de Bourgh hier einen Besuch macht.«
»Aber so gefällt sie mir«, verfolgte Elisabeth plötzlich einen neuen Gedanken, »sie sieht kränklich und mürrisch aus. Ja, das ist gerade das Richtige für ihn: sie wird eine höchst passende Frau für ihn abgeben!«
Charlotte und Mr. Collins standen nebeneinander an der Gartenpforte und sprachen mit den beiden Damen. Und zu ihrer großen Erheiterung entdeckte Elisabeth auch Sir William am Hauseingang, wo er in würdevoller Haltung
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