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Stolz und Vorurteil - Vollständige Ausgabe (German Edition)

Stolz und Vorurteil - Vollständige Ausgabe (German Edition)

Titel: Stolz und Vorurteil - Vollständige Ausgabe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Austen
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meine liebste Tante, daß ich nicht sehr verliebt gewesen sein kann. Denn hätte wirklich jenes erhebende und reine Gefühl von mir Besitz genommen, dann würde ich heute seinen Namen verabscheuen und ihm alles erdenkliche Schlechte wünschen. Aber so wie es ist, fühle ich mich immer noch gut Freund mit ihm und habe sogar nichts gegen Miss King. Ich könnte sie nicht hassen, selbst wenn ich es versuchte; ich bin im Gegenteil überzeugt, daß sie ein sehr nettes junges Mädchen ist. Liebe kann es also bei mir nicht gewesen sein. Gewiß, es wäre allen meinen Freunden sehr viel lieber, wenn ich ihn ›wahnsinnig‹ geliebt hätte, aber ich kann nicht behaupten, daß ich meinen gegenwärtigen gleichmütigen Zustand bedaure. Der Preis für Mitleid kann sehr hoch sein. Kitty und Lydia nehmen sich seine Wankelmütigkeit viel mehr zu Herzen als ich. Sie sind beide noch zu jung, um die demütigende Erfahrung gemacht zu haben, daß auch die stattlichsten jungen Männer, ebenso wie die weniger stattlichen, von irgend etwas leben müssen.«

27. KAPITEL
    O hne daß sich etwas Neues in Longbourn zugetragen hätte und ohne andere Abwechslung als gelegentliche, manchmal regnerische, immer aber kalte Spaziergänge nach Meryton vergingen der Januar und der Februar.
    Im März wollte Elisabeth nach Hunsford fahren. Zuerst hatte sie gar nicht ernstlich daran gedacht, die Reise zu machen; aber sie merkte bald, daß Charlotte viel daran gelegen war, und je näher der vorgesehene Termin rückte, umso mehr freute sie sich bei dem Gedanken, die Freundin wiederzusehen. Die lange Trennung ließ sie sowohl Charlottes Handlungsweise wie auch Mr. Collins’ Person in einem freundlicheren Licht sehen. Außerdem war eine solche Reise einmal etwas anderes. Das ständige Zusammensein mit ihrer Mutter und ihren Schwestern, zu denen sie mit Ausnahme von Jane nie ein rechtes Verhältnis gefunden hatte, war wirklich kein ganz ungetrübtes Vergnügen, und die kleine Abwechslung war ihr wahrhaftig zu gönnen. Vor allem würde sie auf der Durchfahrt in London Jane wiedersehen — kurz, als es so weit war, hätte es ihr leid getan, wenn irgendeine Verzögerung eingetreten wäre. Aber es gab keine Verzögerung, und Charlottes Plan wickelte sich wie vorgesehen reibungslos ab.
    Der einzige bittere Tropfen war die Trennung von ihrem Vater. Mr. Bennet, der sie immer sehr vermissen würde, bat sie, ihm doch hin und wieder zu schreiben, und versprach fest, ihre Briefe zu beantworten.
    Elisabeth und Wickham verabschiedeten sich voneinander mit größter Freundlichkeit. Gewiß ging er gegenwärtig andere Wege; aber das konnte nicht verhindern, daß er an Elisabeth immer noch als an die erste dachte, die seine Aufmerksamkeit erregt hatte und ihrer auch würdig gewesen war, daß sie als erste Anteil an ihm genommen hatte und als erste mit seiner Bewunderung ausgezeichnet wurde. In der Art, wie er ihr »Auf Wiedersehen« sagte, ihr Lady Catherine nochmals schilderte und die Hoffnung aussprach, daß ihre Ansicht über diese Dame — wie überhaupt über alle Menschen und Dinge — stets mit der seinen übereinstimmen möchte, in allem lag ein liebevolles Besorgtsein, das ihm für immer in ihrem Herzen eine aufrichtige Freundschaft zusicherte. Sie schied von ihm mit der Gewißheit, daß er, ob verheiratet oder nicht, für sie stets das Muster eines lieben und sympathischen Menschen bleiben würde.
    Ihre Reisegefährten am nächsten Morgen gaben ihr keinen Anlaß, ihre Meinung über Wickham zu ändern. Sir William und seine Tochter Maria, ein freundliches und, wie ihr Vater, ziemlich einfältiges Wesen, hatten nichts zu sagen, dem man mit größerem Vergnügen zugehört hätte als dem Quietschen und Knarren der Wagenräder.
    Am ersten Tag fuhren sie nur 24 Meilen, und sie waren so früh aufgebrochen; daß sie London schon am frühen Mittag erreichten. Als sie vor dem Haus der Gardiners anhielten, winkte Jane ihnen schon vom Wohnzimmerfenster aus zu, und als sie eintraten, war sie die erste, die die Ankömmlinge begrüßte. Elisabeth konnte zu ihrer Freude auf den ersten Blick feststellen, daß ihre Schwester so wohl und lieblich aussah wie immer. Oben auf dem Treppenflur wartete eine ganze Schar kleiner Cousinen, deren Neugierde sie nicht im Wohnzimmer hatte stillsitzen lassen, während ihre Schüchternheit es ihnen andererseits wieder verbot, der fremden Cousine noch näher entgegenzukommen. Freude und Wohlwollen herrschten überall. Bald hallte das ganze Haus von den

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