Stolz und Vorurteil - Vollständige Ausgabe (German Edition)
er stumm auf einen Sessel niedersank. Seine Tochter war erst ganz entgeistert; sie balancierte auf dem äußersten Rande ihres Stuhles und wußte nicht, wohin sie blicken sollte. Elisabeth dagegen blieb gelassen und nahm die drei Damen vor ihr ohne jede Befangenheit in Augenschein.
Lady Catherine war eine große, kräftige Frau, mit allzu harten Linien in einem Gesicht, das früher vielleicht einmal recht schön gewesen sein mochte. In ihrem Blick lag keine Spur von Güte und Entgegenkommen, und die Art, wie sie ihre Gäste begrüßt hatte, herrisch und von oben herab, war durchaus nicht dazu angetan gewesen, Sir William und seiner Tochter ihre Befangenheit zu nehmen. Elisabeth mußte sogleich an Wickhams Beschreibung denken: Lady Catherine entsprach genau dem Bild, das sie sich danach von ihr gemacht hatte, und in Haltung und Wesen glaubte sie eine gewisse Ähnlichkeit mit Darcy entdecken zu können.
Die Tochter war jedoch ganz das Gegenteil. Miss de Bourgh sah bleich und kränklich aus; ihre Züge waren, obzwar nicht gerade häßlich, so doch völlig nichtssagend; sie redete fast gar nicht, außer mit einer kaum hörbaren Stimme zu Mrs. Jenkinson. Mrs. Jenkinson hatte keine besonderen Eigenschaften, wenn sie überhaupt welche besaß; sie war ausschließlich damit beschäftigt, Miss de Bourgh zuzuhören und mit einem Schirm das Licht von den empfindlichen Augen ihres Schützlings fernzuhalten.
Zuerst mußten die Gäste die Aussicht bewundern, wobei Mr. Collins es übernahm, auf alle Schönheiten hinzuweisen, während Lady Catherine, ohne sich von ihrem Sitz zu rühren, sich herabließ zu bemerken, daß der Park im Sommer noch viel schöner sei.
Das Essen war wirklich ganz ausgezeichnet und wurde von den zahlreichen Dienern auf vornehmem Geschirr serviert, ganz wie Mr. Collins es versprochen hatte. Auch seine andere Voraussage, daß er auf Lady Catherines Wunsch die Rolle des Hausherrn am anderen Ende der Tafel ihr gegenüber übernehmen werde, ging in Erfüllung, und man sah es ihm an, daß er mit sich und der Welt zufrieden war. Er zerteilte den Braten, aß, und eine Lobrede folgte dabei der anderen; jeder Gang rief bei ihm neue Begeisterung hervor. Sir William aber, der sich inzwischen genügend gefaßt hatte, war das Echo für den Wortschwall seines Schwiegersohnes. Elisabeth wunderte sich nur, wie Lady Catherine das alles aushalten konnte. Doch Lady Catherine schien im Gegenteil höchst erbaut von der hemmungslosen Bewunderung der beiden und lächelte huldvoll, besonders wenn irgendein Gericht ihren Gästen unbekannt zu sein schien. Eine andere Unterhaltung gab es bei Tisch nicht. Elisabeth hätte wohl über das oder jenes gesprochen, wenn sich eine Gelegenheit dazu geboten hätte; aber sie saß zwischen Charlotte und Miss de Bourgh, und Charlotte war vollauf mit Lady Catherine beschäftigt, und deren Tochter redete sie nicht ein einziges Mal während des ganzen Essens an. Mrs. Jenkinson hatte nur Augen für Miss de Bourgh, jammerte, wenn sie zu wenig auf ihren Teller nahm, bat sie flehentlich, doch noch ein bißchen von dieser oder jener Speise zu versuchen, und fragte sie ständig, ob sie sich etwa nicht ganz wohl befinde.
Sehr viel unterhaltsamer wurde es auch nicht, als die Damen sich ins Wohnzimmer zurückzogen und die Herren ihrem Portwein überließen; denn bis der Kaffee kam, redete allein Lady Catherine und in einer so bestimmten Weise über alles und jedes, daß eine Antwort überflüssig, wenn nicht gar unhöflich gewesen wäre. Sie erkundigte sich eingehend nach Charlottes häuslichen Angelegenheiten, beriet sie ungebeten über alles mögliche und erklärte ihr, wie sie sich am besten in einem so kleinen Haushalt einrichten müsse, wie Kühe zu pflegen und Hühner zu züchten seien und noch viel mehr dazu. Sie konnte gar nicht anders, sie mußte immerzu Befehle und Anweisungen geben. Dazwischen fragte sie Maria und Elisabeth aus, wollte wissen, wie viele Geschwister Elisabeth habe, ob ältere oder jüngere, ob irgendeine von ihren Schwestern Aussicht habe zu heiraten, wie sie aussähen, welche Erziehung sie genossen hätten, ob ihr Vater sich einen Wagen halte und was für einen und wie der Mädchenname ihrer Mutter laute. Elisabeth fand diese Fragen zwar durchaus ungehörig, beantwortete sie jedoch ruhig und höflich. Lady Catherine bemerkte sodann: »Der Besitz Ihres Vaters fällt also an Mr. Collins. Das freut mich ja natürlich um Ihretwillen«, meinte sie zu Charlotte, »im übrigen
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