Stolz und Vorurteil - Vollständige Ausgabe (German Edition)
ärgerte sich unverhohlen darüber, daß Elisabeth und Maria bereits früher seine Bekanntschaft gemacht hatten.
Seine Ankunft auf Rosings wurde gleichzeitig im Pfarrhaus bekannt; denn Mr. Collins war den ganzen Morgen in seinem Garten hin und her gegangen und spähte mit einem Auge immer auf die Parkeinfahrt. Er wollte sich später nicht vorwerfen müssen, er habe diesem wichtigen Ereignis nicht die genügende Beachtung gewidmet. Als der Wagen sich näherte, machte er eine tiefe Verbeugung und eilte dann stracks ins Haus zurück, um die große Neuigkeit bekanntzugeben. Er konnte kaum den nächsten Morgen erwarten, an dem er mit dem Frühesten in Rosings erschien, um seine Aufwartung zu machen. Er traf dort nicht nur einen, sondern zwei Neffen Lady Catherines; denn in Darcys Begleitung befand sich der Oberst Fitzwilliam, ein jüngerer Sohn seines Onkels.
Als Mr. Collins zurückkehrte, begleiteten ihn die beiden Herren. Charlotte sah sie zufällig kommen und eilte, aufs höchste überrascht, zu ihren beiden Gästen, um sie auf den Besuch vorzubereiten.
»Diese Artigkeit haben wir gewiß dir zu verdanken, Lizzy. Mr. Darcy hätte sonst nie so bald Besuch bei uns gemacht.«
Elisabeth fand keine Zeit mehr, sich dagegen zu verwahren; denn die Torglocke ertönte soeben, und kurz darauf traten die Herren ein. Oberst Fitzwilliam war ein vornehmer, aber nicht sehr ansehnlicher Mann von etwa dreißig Jahren. Mr. Darcy sah aus wie immer und begrüßte Mrs. Collins mit seiner üblichen Zurückhaltung. Was er immer beim Anblick Elisabeths denken mochte, sein Gesicht verriet nichts als gleichgültige Höflichkeit. Sie selbst grüßte nur kurz, ohne etwas zu sagen.
Oberst Fitzwilliam begann sogleich ein Gespräch mit der Leichtigkeit und Selbstverständlichkeit eines Weltmanns; sein Vetter äußerte nur ein paar allgemeine Bemerkungen über das Haus und den Garten zu Mrs. Collins und saß eine ganze Weile stumm, ohne sich am Gespräch zu beteiligen. Schließlich ließ er sich aber doch dazu herbei, Elisabeth nach ihrem Befinden und dem ihrer Familie zu fragen. Sie antwortete so, wie solche Fragen immer beantwortet werden, und fügte nach einer kleinen Pause hinzu: »Meine älteste Schwester hält sich schon seit drei Monaten in London auf. Sie haben sie wohl nicht zufällig einmal getroffen?«
Sie wußte genau, daß das nie der Fall gewesen war; aber vielleicht ließ er irgendwie erkennen, daß er in das eingeweiht war, was sich zwischen den Bingleys und Jane abgespielt hatte. Er schien wirklich etwas verlegen zu werden, als er antwortete, er habe noch nicht das Vergnügen gehabt, Miss Bennet zu begegnen. Danach schwiegen sie beide wieder, und bald verabschiedeten sich die Herren.
31. KAPITEL
O berst Fitzwilliams weltmännisches Auftreten hatte einen großen Eindruck im Pfarrhaus hinterlassen, und vor allem die Damen waren überzeugt, daß seine Anwesenheit den Reiz der Abende auf Rosings bedeutend erhöhen werde. Allerdings dauerte es eine ganze Zeit, bis sie wieder dorthin gebeten wurden; nun, da man im Herrenhaus selbst Besuch hatte, schien man gut auch ohne die Collins und ihre Gäste auszukommen. Erst am Ostersonntag, fast eine Woche danach, wurde ihnen wieder die Ehre einer Einladung zuteil und auch das nur in der Form, daß sie nach der Predigt aufgefordert wurden, am Abend hinaufzukommen. Während der Zwischenzeit hatten sie weder Lady Catherine noch ihre Tochter zu Gesicht bekommen. Oberst Fitzwilliam dagegen sprach öfters im Pfarrhause vor; Darcy jedoch hatten sie nur in der Kirche getroffen.
Man nahm die Einladung selbstverständlich an, und zur angegebenen Stunde fand sich die Gesellschaft in Lady Catherines Empfangszimmer ein. Sie wurden freundlich begrüßt, aber Elisabeth merkte sogleich, daß sie dieses Mal keineswegs so willkommen waren wie sonst, wo man niemand anders zur Unterhaltung hatte. Lady Catherine beschäftigte sich fast ausschließlich mit ihren Neffen, vor allem mit Darcy, und sprach kaum ein Wort mit den anderen.
Oberst Fitzwilliam zeigte sich jedoch aufrichtig erfreut, sie alle bei seiner Tante wiederzusehen; ihm war jede Unterbrechung des eintönigen Lebens auf Rosings willkommen, vor allem jedoch hatte die hübsche Freundin von Mrs. Collins es ihm angetan. Er setzte sich sofort neben Elisabeth und sprach so angeregt mit ihr über seine Reisen und sein Zuhause, über neue Bücher und Musik, daß sie sich besser unterhielt, als sie es je in diesem Hause für möglich gehalten hatte. Ihr
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