Storm - Aus dem Leben eines Auftragskillers (German Edition)
Einschusslöcher in der Frontscheibe. Das beunruhigt mich aber nicht sonderlich. Ich hatte nicht mit einer Reparatur der Schäden gerechnet. Warum hätte Waldenburg auch Geld in mein Auto investieren sollen?
Allerdings haftet unter einem Scheibenwischer wieder so ein kleiner weißer Zettel , wie ich ihn aus dem Hotelzimmer kenne. Bestimmt handelt es sich dabei nicht um ein Knöllchen wegen widerrechtlichen Parkens. Es ist eine Mitteilung von Steffen Waldenburg. Erneut so ein fieser Hieb in die Nieren. Was will er diesmal von mir? Hat er seine Pläne vom Vormittag verworfen? Will er noch mehr Spaß mit mir haben? Was bedeutet diese Nachricht für Hanna?
Meine Schritte werden länger und auch langsamer. Ich schnaufe entkräftet, dennoch muss ich unbedingt die niedergeschriebenen Worte lesen. Mein Verstand rennt schneller als ich und stellt die verrücktesten Theorien auf. Ich weiche einem mannshohen Dornenbusch aus und kann endlich meinen Mobby anfassen. Ich streichle über seine glatte Motorhaube und küsse den glänzenden Lack. So viel Zeit muss sein! Ich wünsche mir erneut, dass er eines Tages meine Emotionen erwidern kann, aber dazu wird es leider nie kommen.
Danach hechte ich zur Windschutzscheibe und schnappe mir den Zettel. Er wurde einmal gefaltet. Ich klappe ihn auf und studiere die wenigen Zeilen, geschrieben in Steffen Waldenburgs Handschrift.
Hallo Killer,
ich wusste, dass du hier zuerst nachschauen würdest. Wie gesagt, du bist berechenbar wie eine Gleichung ohne Unbekannte. Aber deswegen habe ich dich ja auch hergebeten, statt dich einfach im Schlaf zu erschießen.
Du bist ganz dicht an der Kleinen. Hörst du schon ihre erstickten Schreie? Du musst nur noch in die Fabrik kommen und dich mir stellen. Ich habe ein nettes Angebot für dich , obwohl du es eigentlich nicht verdient hast. Du wirst es nicht ausschlagen können.
Bevor ich dir diese großzügige Geste aber unterbreiten kann, musst du dich als würdig erweisen. Du solltest dich umdrehen, sonst kommst du gar nicht erst in den Genuss meiner Gesellschaft.
S.
Ich wusste es. Ohne Fleiß kein Preis. Ich bin in seine Falle getappt. Der Zettel entgleitet meinen nassen Händen. Ich ducke mich reflexartig ab. Die Bewegung kommt zu spät. Der Schlag trifft mich trotzdem hart am Hinterkopf. Wenigstens hat der Angreifer dadurch meine Schläfe nicht erwischt. Ich stolpere nach vorne, weiter in den Unterstand hinein, und fange den drohenden Sturz mit drei Ausfallschritten in letzter Sekunde ab. Ich wirbele schnell auf den Absätzen herum, um dem Angreifer zu erkennen, und bin wieder zu langsam.
Ein Tritt hämmert mir unangekündigt in die linke Niere und schickt einen dumpfen Schmerz in meinen Unterbauch.
Kostbare Luft entweicht meinen Lungen. Wieder taumle ich nach hinten. Fast stehe ich mit dem Rücken an der porösen Rückwand der Baracke. Ich halte meine Arme wie ein Boxer in Abwehrhaltung vor den Kopf. Gleichzeitig versuche ich, meinem Gegner ins Gesicht zu blicken. Für einen winzigen Augenblick kann ich durchatmen. Mein Widersacher ist ein Mann im amerikanischen Tarnanzug, zehn Zentimeter kleiner als ich, aber wieselflink und extrem stark. Bevor ich sein Gesicht intensiver in Augenschein nehmen kann, fange ich mir einen Leberhaken ein. Ein punktgenauer Treffer. Ich greife mir ungewollt an meine rechte Körperseite und lasse meine Deckung fallen.
Der Kerl geht sofort in den Nahkampf.
Seinen nächsten Hieb, der mein Kinn anvisiert, blocke ich durch blanken Zufall mit einer wirren Bewegung meines linken Armes ab. Dann zeigt der Leberhaken erst seine fatalen Folgen. Meine Beine geben unter meinem Gewicht nach; ich sinke auf die Knie.
Der Angreifer ist davon selbst überrascht und schlägt den nächsten brutalen Schwinger ins Leere. Das Luftloch bringt ihn aus dem Gleichgewicht.
Ich nutze die Millisekunde seiner Unsicherheit und verpasse ihm einen Schlag in den Unterleib. Ein unfaires Mittel, für das man sich schämen sollte. Allerdings hat er mich ebenfalls unsportlich von hinten attackiert. Wir sind quitt. Ich habe ihn höchstens mit der Hälfte meiner sonstigen Schlagkraft getroffen, dennoch jault er wie ein junger Hund auf. Der Intimbereich ist nun mal die empfindlichste Stelle am Körper eines Mannes. Ein leichter Klaps kann da schon unangenehme Folgen nach sich ziehen.
Er bedeckt sein Gemächt mit beiden Händen und weicht zwei Schritte von mir zurück. Auch er geht in die Knie und befindet sich nun auf meiner Augenhöhe.
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