Storm - Aus dem Leben eines Auftragskillers (German Edition)
und nicht mehr um meine persönlichen Befindlichkeiten. Ich muss sie da rausholen, egal um welchen Preis.
Das fingierte Geschäftstreffen riecht natürlich meilenweit nach einem Hinterhalt. Es würde mich nicht überraschen, wenn die komplette Vita brevis dort auf mich warten würde. Vielleicht unterschätzt Hannas Großvater mich aber auch und empfängt mich nur mit einem kleinen Begrüßungskomitee seiner engsten Vertrauten. Steffen Waldenburg hatte sicherlich Hilfe bei der Entführung von seiner Enkelin. Der schmächtige Mann hätte das alleine nicht fertiggebracht. Hannas Gewicht hätte er nie und nimmer stemmen können. Wie viele Leute ihn unterstützt haben, bleibt aber unklar. Einer, zwei, ein Dutzend? Keine Ahnung. Ich werde es herausfinden müssen. Wenn es mein letztes Gefecht wird, soll es eben so sein. Ich muss alles versuchen und mir verdammt noch mal den Arsch für Hanna aufreißen. Einen Vorteil habe ich: Es ist Sonntag; das Gewerbegebiet wird sicherlich verlassen sein. Ich muss auf niemanden Rücksicht nehmen und vor allem nicht leise vorgehen. Und falls ich Erfolg mit meinem Einsatz habe, warten am Ende des Regenbogens zwei Preise auf mich: Das Mädchen und mein geliebter Mobby.
Kapitel 7 – Vita brevis
Habe ich alles bedacht? , frage ich mich unablässig, bevor ich nach Falkensee aufbreche. Kann ich überhaupt alle Eventualitäten abwägen? Ich stehe vor einer ungewissen Reise, an deren Ende alles Mögliche auf mich warten kann. Heldentum, Schmach, sogar der süße Tod. Ich kann mich nicht entscheiden, welche dieser Optionen am erträglichsten für mich wäre. Nach Tagen voller Schicksalsschläge, Schmerz und drastischen Wendungen ist mein Körper platt wie ein kaputter Reifen. Ich möchte die Angelegenheit einfach nur noch hinter mich bringen, kann mich aber kaum dazu aufraffen, den Fuß auf das Gaspedal meines Leihwagens zu legen.
Ich verließ zeitnah den Motel-Verschnitt, ohne mich nach Zeugen von Hannas Entführung umzuhören. Was hätte das auch gebracht? Ich wüsste trotzdem nicht, wer oder was mir in der leeren Fabrik auflauern könnte. Bestenfalls hätte ich den Zeugen selbst einige heikle Fragen beantworten müssen. Das hätte wiederum die Freunde in Grün auf den Plan gerufen. Sollte die Staatsgewalt sich in den Entführungsfall einmischen, läge Hanna schon so gut wie unter der Erde. Ich habe kein großes Vertrauen in unsere sogenannten Ordnungshüter. Im Fall der Vita brevis konnte ich wieder einmal hautnah ihr Versagen miterleben. Die eingefrorenen Ermittlungen nach Pias Tod stellen ein absolutes Armutszeugnis dar. Eher glaube ich an die Skrupellosigkeit eines Steffen Waldenburg. Er würde seine Geißel ohne Wimperzucken erschießen, sollte ich ihn hintergehen. Hannas Unversehrtheit rangiert jetzt an erster Stelle. Wenn ich sie retten will, darf ich keinesfalls Steffen Waldenburgs Anordnungen missachten. Wer seine Tochter töten lässt, schreckt diesbezüglich auch vor seiner Enkelin nicht zurück. Der Mann steht zu seinem Wort. Hundertprozentig. Deswegen laufe ich lieber in seine offensichtliche Falle, als mit einem Hinterhalt alles zu riskieren. Ich bin nicht dumm. Und auch wenn ich nicht im Vollbesitz meiner Kräfte bin, weiß ich mich zu verteidigen. Ich habe den Krieg noch längst nicht verloren. Ich darf nur keine kleinen Flüchtigkeitsfehler begehen.
Aus diesem Grund gehe ich ein letztes Mal meine Checkliste durch. Ich hake die Punkte gedanklich ab. Ja, ja und ja. Es ist nicht viel, was ich mitnehmen will, aber in meiner Situation ist es schw ierig, auch nur den kleinsten Gedanken zu bewahren. Man kann durchaus behaupten, dass ich vor einem Auftrag noch nie so angespannt war wie jetzt. Ich muss es mir wohl oder übel eingestehen. Ich habe Angst. Ein widerliches Gefühl, das mir die Eingeweide wie eine Giftschlange hochkriecht. Ich vibriere, ich bibbere. Heute fahre ich nicht los, um zu töten, sondern um ein Leben zu schützen. Die Verantwortung ist grenzenlos. Ich kämpfe nicht nur für mich, sondern vorrangig für Hanna. Das mollige Mädchen mit den eiskalten Augen. Sie hat mich vollends in ihren Bann gezogen. Wird sie mich mit sich ins Verderben reißen? Werde ich den Schwefelgestank der Hölle riechen? Die Uhr im Wagen zeigt zehn Minuten vor drei Uhr an. Ich starte den Motor und bin fest entschlossen, es herausfinden.
Ich habe den Ortseingang Falkensee überquert. Das Städtchen liegt idyllisch im Nordwesten von Berlin. Obwohl es an die Großstadt angrenzt,
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