Storm - Aus dem Leben eines Auftragskillers (German Edition)
verströmt der Ort doch ein ganz anderes Lebensgefühl. Statt Hochhäusern sehe ich schlichte Einfamilienhäuser, anstelle von grauem Beton umfängt mich grüne Natur. Ich inhaliere den muffigen Duft stehender Gewässer und keine Abgase. Ich befinde mich in einer völlig neuen Welt, obwohl ich nur zehn Kilometer von der alten weggefahren bin. Sie erscheint mir zu unschuldig für das, was mir in ihr bevorsteht.
Ich muss nicht weit in den Ort hineinfahren. Nach wenigen hundert Metern biege ich nach links ab und befinde mich schon im Gewerbegebiet der preußischen Kleinstadt. Die Route habe ich in einem Internetcafé haarklein studiert. Immer wieder wie ein Uhrwerk, auch wenn der Weg im Grunde leicht zu merken war. Perfektionismus und Langeweile trieben mich zu dieser Maßnahme.
Ich umfahre eine menschenleere Kfz-Werkstatt und registriere linkerhand eine baufällige Ruine in meinem Blickfeld. Sie ist zweihundert Meter von mir entfernt. Das muss der Treffpunkt sein, der in Waldenburgs Brief erwähnt wurde. Sonst gibt es in dieser gepflegten Umgebung keine maroden Schandflecke. Von der Größe des rotbraunen Gebäudes kann ich auf eine alte Fabrik schließen, die höchstwahrscheinlich vor Jahren geschlossen wurde, wahrscheinlich gleich nach der Wende. Ich explodiere vor Tatendrang. Nichts hält mich mehr auf meinen vier Buchstaben.
Ich fahre den Ford an den Straßenrand und manövriere ihn in eine freie Parkbucht. Außer ein paar abgestellten Lastwage n sind die Parkplätze unbesetzt. Wer soll an einem freien Sonntag auch im Gewerbegebiet herumscharwenzeln? Soll sich jemand die schönen Werkstätten und Möbelläden von außen betrachten? Wohl kaum. Die Umgebung gleicht einer Geisterstadt, die erst morgen wieder mit Leben gefüllt wird.
Ich schnalle mich ab und klopfe die Taschen meines Jacketts ab. Meine Waffen befinden sich noch am Mann. Wohin sollen sie entschwunden sein? Ich werde paranoid. Für solche Albernheiten habe ich im Moment keine Zeit.
Es ist Punkt fünfzehn Uhr. Die Fahrertür schwingt durch leichten Druck auf. Meine Füße berühren den Boden. Ich atme die Luft der Freiheit ein. Vielleicht ist es der letzte unbeschwerte Atemzug in meinem Leben.
Ich schaue die Straße hinauf zur Fabrik. Vor der baufälligen Halle warten keine Totschläger mit MP im Anschlag auf mein Erscheinen. Es wäre auch zu plump und würde nicht den Ansprüchen einer Organisation wie der Vita brevis genügen. Ich rechne eher mit einem gemeinen Hinterhalt oder einem raffinierten Ablenkungsmanöver. So würde ich das Problem jedenfalls lösen. Ich folge dem Asphalt bis zur Fabrik. Schier endlose Schritte in den Untergang? Ich weiß es nicht.
Abgehetzt bleibe ich vor dem einsturzgefährdeten Bauwerk stehen. Ein Warnschild weist mich auf die fatalen Konsequenzen hin, die mir drohen, wenn ich das Grundstück betrete. Die Tafel soll vor allem Kinder vor Dummheiten bewahren. Noch immer ist kein Scherge der kriminellen Vereinigung zu sehen. Um die alte Emaille-Fabrik (das verrät mir ein weiteres ausgeblichenes Schild über dem Eingang) ragt ein rostiger gitterförmiger Eisenzaun auf. Ein bogenartiges und zackenbewehrtes Tor bildet den Eingang zu dem abgewirtschafteten Gelände. Es wurde nicht verschlossen. Habe ich mein Waterloo gefunden? Ja. Mein Mobby liefert mir den letzten Beweis dafür, dass ich hier genau richtig bin. Das Auto steht rechts neben der Fabrik in einem schiefen Unterstand, welcher mit einem alten Wellblechdach bedeckt ist. Das Konstrukt wird von drei massiven Stahlpfeilern gestützt und diente früher vielleicht wirklich einmal der Chefetage des Betriebs als trockener Parkplatz für ihre vergleichsweise protzigen Nobelkarossen.
Ich zögere keine Sekunde und stürme durch das offene Tor hindurch auf Feindesland. Ich achte penibel darauf, wo ich hinlaufe, um nicht in eine fiese Falle zu treten. Eine Bärenklaue am Fuß fehlt mir gerade noch zu meinem Glück. Das Gelände ist überwuchert mit wildwachsenden Sträuchern und Bäumen. Das buschige Gras reicht mir teilweise bis zur Hüfte. Auf diesem Areal gibt es einige gute Verstecke für einen tödlichen Dolchstoß in den Rücken. Trotzdem schleiche ich nicht über den Hof. Ich renne wie der Teufel. Ich muss meinen BMW anfassen, ihn unter meinen Fingern wissen, auch wenn es das Letzte ist, was ich tue.
Je näher ich meine m alten Weggefährten komme, desto unsicherer werde ich. Das Erscheinungsbild des Autos hat sich nicht verändert. Ich erkenne immer noch die
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