Storm - Aus dem Leben eines Auftragskillers (German Edition)
voll kurzer Stippvisiten nach Leipzig geführt, mehr nicht. Aber der erste Eindruck trügt bekanntlich ja nicht.
Vor einer Woche kam ich zurück in die Universitätsstadt und nutzte den sonnigen Morgen für eine kleine Besichtigungstour durch das Zentrum. Mein Auto hatte ich weit abseits von meinem Ziel in einem Parkhaus untergebracht. Das ist einer meiner Grundsätze. Niemand soll mein Nummernschild mit einem Tatort assoziieren können. Bei Auerbachs Keller streichelte ich über den blankpolierten Schuh der Bronzefigur von Faust, die mir gefälligst Glück bringen sollte. Anschließend schlenderte ich über den Markt und vorbei an der traditionsreichen Thomaskirche. Ich liebe solche unbefangenen Spaziergänge, bevor es ernst wird. Auch wenn die Sehenswürdigkeiten nicht mit denen von Berlin, Paris oder Rom zu vergleichen sind, konnte ich meine Wertschätzung an die Erbauer der Stadt nicht gänzlich verbergen. Kurzum, meine Augen glänzten.
Nachdem ich den angenehmen Teil des Tages zu den Akten gelegt hatte, wurde ich zu der Waffe, die ich nun mal bin. Präzise und tödlich. Ich bewegte mich in südöstliche Richtung vom Stadtkern weg und erreichte am frühen Nachmittag das medizinische Herzstück der Stadt, das Universitätsklinikum. Ich ging vorbei an dem weißglänzenden Klotz und bog in eine Nebenstraße voller Altbauten ein, die sehr typisch für das Leipziger Stadtbild sind. Das Navigationsgerät in meinem Smartphone hatte mich erfolgreich an mein Ziel geführt, das Institut für Pharmazie der Universität Leipzig. Dort wollte ich Hannas Adresse ausfindig machen. Ich hätte natürlich auch im Immatrikulationsamt der Uni mein Glück versuchen können, aber ich entschied mich für das ruhiger gelegene Fakultätsgebäude. Hier dürfte es weniger Zeugen geben, dachte ich mir jedenfalls. Nachdem ich mich seelisch und moralisch auf den bevorstehenden Auftrag vorbereitet hatte, küsste ich meinen kleinen Wegweiser und steckte ihn in die Innentasche meines schwarzen Sakkos zurück. Einer meiner Ärmel hing ein klein wenig schief. Ich zupfte ihn akribisch zurecht und betrat das Unigebäude selbstbewusst mit perfektem Erscheinungsbild.
Ich bin nicht unbedingt Liebhaber von Stoffhose und Jackett, aber ein gepflegter Anzug lässt dich in der Masse verschwinden. Niemand hält dich in diesem Aufzug für einen gesetzlosen Bürger. Inzwischen habe ich mich an die Kleidung gewöhnt und trage sie auch privat. Zuerst ha tte ich mich dagegen noch gesträubt.
Der hohe Eingangsbereich war zugig und kühl. Als mich beim Erklimmen einer kurzen Treppe ein medizinischer Duft umfing, wusste ich, dass ich richtig sein musste. Ich gelangte in einen schmalen Gang, an dem links und rechts Büroräume angrenzten. In einigem Abstand stürmte eine untersetzte Frau mittleren Alters mit Brille hektisch auf mich zu. Sie war tief in eine Akte versunken und merkte gar nicht, dass wir uns auf Kollisionskurs befanden. Nachdem sie nur noch eine Armeslänge von mir entfernt war, wagte ich einen Vorstoß, um sie aus ihrer Hypnose zu reißen.
» Ähem«, räusperte ich mich.
Sie blieb schlagartig stehen und sah mich an wie einen Geist. »Oh, Entschuldigung!«, atmete sie erleichtert aus. Ihre linke Hand lag auf ihrem Herz. »Sie … Sie … haben … mich …«
» … erschreckt?«, komplettierte ich ihre Satzhülse mit einem aufgesetzten Grinsen.
» Ja«, lächelte sie verlegen. »Fast hätte ich Sie umgerannt.«
» Keine Bange!«, winkte ich ab. »Ich hab auch noch zwei Augen im Kopf.«
Wir verfielen einen Moment lang in peinliches Schweigen, das ich kurzerhand durchbrach: »Wenn ich Sie schon einmal bei Ihrer Tätigkeit unterbrochen habe, können Sie mir doch bestimmt sagen, wer hier die eingeschriebenen Studenten überwacht. Ich bin von der Polizei und bräuchte Auskünfte zu einer bestimmten Studentin von Ihnen.«
» Polizei? Was ist denn …?«
» Es ist nichts Schlimmes«, unterbrach ich sie mit einem charmanten Lächeln.
Sie kaufte mir meine Scharade ab und nickte. »Das will ich hoffen. Wenn Sie Informationen zu unseren Studenten benötigen, müssen Sie mit Frau Mendler sprechen. Erste Etage. Sie kümmert sich um die Angelegenheiten der verschiedenen Seminargruppen.«
Ich bedankte mich höflich bei ihr und marschierte schnurstracks zum Ende des Ganges durch, um das Treppenhaus zu erreichen.
» Einen schönen Tag noch«, rief sie mir hinterher.
Ich brüllte genervt: »Ihnen auch!« Danach verschwand ich hinter einer Tür und
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