Storm
nicht.«
Am liebsten würde ich schreien: Verdammt, ich will dir doch nur helfen, verstehst du das nicht? Aber ich bleibe ruhig. »Wenn man eine Depression überwindet, können auch die alten Kräfte wiederkommen.«
Zögerlich nimmt er das Fläschchen an sich und steckt es in den Rucksack.
Erleichtert atme ich auf. Das ist ein Anfang. Aber wird er die Tabletten nehmen? »Du wurdest mit den falschen Leuten gesehen. Vielleicht ist es besser, du bleibst hier.«
Schnaubend schiebt er mich auf die Seite und verschwindet.
Wie ich es auch anpacke, ich mache es falsch. Vielleicht muss ich mich endgültig damit abfinden, ihn für immer verloren zu haben. Aber noch will ich nicht aufgeben, meine Gefühle für diesen Kerl sind einfach zu stark.
Kapitel 6 – Drei Tage später
Ich muss endlich wissen, wo sich Storm nachts herumtreibt. Mittlerweile sehe ich ihn kaum noch, und in den Nächten kommt er gar nicht nach Hause. Ich vermisse ihn und mache mir große Sorgen. Daher habe ich beschlossen, ihn aufzuspüren. Ich möchte mich nur vergewissern, dass es ihm gutgeht und er keine Dummheiten macht.
Da er immer noch den Senderchip in sich trägt – der jedem Warrior nach der Geburt am Nacken implantiert wird –, habe ich mir Jax’ Handycom ausgeliehen. Dieser winzige Computer, der wie eine Uhr um das Handgelenk gebunden wird, wurde modifiziert und funktion iert nun wie ein Peilsender. Ich muss bloß dem Signal des Chips folgen. Eine leuchtende Kompassnadel schwebt über dem Gerät und zeigt mir den Weg.
Mit dem Rad fahre ich durch die düsteren Gassen und zwischen den Ruinen der Hochhäuser durch. Die Straßen sind geräumt, aber die Gegend wird immer ungemütlicher und Laternen gibt es so weit draußen auch nicht. Der Dynamo an meinem Reifen erzeugt gerade mal genug Strom für das mickrige Licht an der Lenkstange.
Hier leben nur noch Einsiedler. Leute, die unter sich bleiben wollen, Gangs und Schwarzhändler. Eben jene, die sich nicht der Gemeinschaft in Resur anschließen wollen. Sie lassen die Stadt in Ruhe und kommen höchstens in ihre Nähe, um ihre Wasservorräte aufzufüllen, ansonsten führen sie ihr eigenes Leben, haben eigene Regeln. Sie sind die Außenseiter der Outlands. Was sucht Storm bei ihnen?
Das Signal wird stärker, die Kompassnadel blinkt. Gleich muss ich bei ihm sein. Ich fahre an verbeulten Metalltonnen vorbei, in denen Feuer brennen. Jugendliche sitzen davor, betrinken sich, nehmen Drogen und sehen mich an, als wäre ich einer von der Stadtwache.
Ich schaue sie nicht an, um sie nicht zu provozieren. Mein Puls rast, das Shirt klebt an meinem feuchten Rücken. Die Hitze des Tages liegt noch zwischen den Häusern; aus der Wüste weht ein kühler Wind.
Ich befinde mich fast am alten Stadtrand. Hier gibt es streunende Wildtiere, die nach der Bombe aus Zoos geflohen sind und sich vermehrt haben. Löwen, Pumas … Ich schlucke. Zu gerne hätte ich eine Pistole bei mir, aber nur Jax’ Truppe und die Stadtwache dürfen Waffen tragen. Ich muss mich mit einem Küchenmesser zufriedengeben, das ich hinter meinem Gürtel in den Hosenbund geschoben habe.
Ich will mich nicht fürchten, ich muss Storm sehen. Nur ganz kurz, dann drehe ich sofort um. Allein die Sorge um ihn treibt mich voran.
Als ich Gelächter höre, verlangsame ich die Fahrt und stelle das Rad hinter einem dunklen Gebäude ab. Vorsichtig luge ich um die Ecke und vernehme leise Musik, irgendwelche schrillen Töne. Nicht mein Geschmack. Sie kommen aus einem einstöckigen Haus, das gut erhalten ist. Zwar ist die Farbe abgeblättert und die alten Ziegelsteine sind zu erkennen, aber alle Fenster sind heil. »Manuels Pub« lese ich auf einem schiefen Schild über der Tür. Hinter den Fenstern brennt Licht, doch sie sind mit Zeitungspapier beklebt. Ich kann nicht hineinschauen.
Das muss ich auch nicht, da ist Storm! Er steht etwas abseits bei einer Tonne, in der ebenfalls ein Feuer brennt. Neben ihm befindet sich ein Mann in seinem Alter. Er hat so helles Haar wie ich und sieht nicht schlecht aus, aber er wirkt etwas ungepflegt. Er trägt, genau wie Storm, zerschlissene Jeans, die ihnen tief auf den Hüften sitzen, und Muskelshirts. Einziger Unterschied: An Storms Gürtel hängt eine auffallend große Messerscheide. Ich habe sie noch nie an ihm bemerkt, nur die kleinen. Mit dieser Klinge tötet er wohl die Klapperschlangen.
Die zwei lachen, und das tut mir weh. Mit mir lacht Storm nie. Doch ich sollte froh sein, dass es ihm gutgeht. Im Moment
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