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Stossgebete - Ein Krimi aus dem Bayerischen Wald

Stossgebete - Ein Krimi aus dem Bayerischen Wald

Titel: Stossgebete - Ein Krimi aus dem Bayerischen Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Schreiner
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sind Ihnen keine Rechenschaft schuldig. Nicht Ihnen und auch sonst niemandem.« Der Druck der Spitze verstärkte sich. »Was ist ein einzelnes Leben? Was ist der Tod? Der Tod eines Mädchens? Ihr Tod? Mein Tod? Gott allein wird uns richten am Jüngsten Tag. Haben Sie Angst vor dem Tod, Hochwürden?« Hoelzls Worte waren in Eiswasser getaucht.
    Baltasar wich zurück. Warum bloß hatte er Vallerots Rat, sich zu bewaffnen, nicht angenommen?
    »Ich fürchte den Tod nicht.« Plötzlich setzte Hoelzl die Machete ab und fuhr sich in einer einzigen fließenden Bewegung mit der Klinge über den Unterarm. Eine rote Linie zeigte sich auf der Haut, Blut tropfte heraus und vermischte sich mit dem Sägemehl auf dem Boden. Hoelzl beachtete es nicht. Er starrte Baltasar in die Augen. »Der Tod ist mir gleichgültig. Schmerzen sind mir egal. Was sollte mich also eine Frau interessieren, eine Sünderin, eine Gefallene, warum sollte mich ihr Tod kümmern? Wissen Sie, wie viele Menschen jeden Tag sterben? Ich lege mein Schicksal in die Hände der Heiligen Jungfrau Maria. Wenn es ihr gefällt, wird sie mich zu sich rufen, wenn es ihr gefällt, wird sie mir ein langes Leben schenken. Ich vertraue ihr.«
    Baltasars Atem ging schneller. Er sah sich um, suchte nach einer Möglichkeit, sich zu wehren oder zu fliehen.
    »Machen Sie sich gerade Gedanken, Hochwürden, wie weit ich gehen würde?« Baltasar spürte die Klinge an seinem Hals. »Wir sind hier drin ganz allein. Die anderen fahren gerade eine Lieferung aus. Niemand kann uns hören. Na, wie fühlen Sie sich jetzt, Hochwürden?« Hoelzl fuhr mit der Machete langsam an Baltasars Hals hinauf. »Haben Sie Angst vor dem Sterben, Herr Pfarrer? Ist Ihr Glaube so groß, dass Sie auf die schützende Hand Gottes vertrauen? Oder suchen Sie gerade nach Alternativen zur Flucht?« Das Blut hatte ein bizarres Muster in den Staub gemalt. Noch immer konzentrierte sich Hoelzl auf Baltasars Augen. »Ich sehe Angst in Ihnen aufkeimen. Ihr Glaube ist nicht so stark, wie es scheint.«
    Dann brach Hoelzl in schallendes Gelächter aus. Er ließ die Machete sinken. »Verschwinden Sie, Hochwürden! Kommen Sie nie wieder hierher! Und überprüfen Sie Ihren Glauben!«
    Baltasar stolperte hinaus. Als er längst im Auto saß, verfolgte ihn noch immer dieses schaurige Lachen von Hoelzl.
    36
    E s war dieser typische Krankenhausgeruch, diese Mischung aus Desinfektionsmitteln, chemischen Substanzen und Heilmitteln, der bei Baltasar ein Unwohlsein auslöste. Pater Pretorius saß in seinem Bett wie ein Märtyrer, der auf seine Hinrichtung wartet. Das Gesicht war bleich, ein Verband verhüllte den Kopf, die Augen flackerten. Dabei waren die Verletzungen nach Auskunft des Stationsarztes gar nicht so schlimm, und der Patient befand sich auf dem Weg der Besserung.
    »Mein Leben, mein Leben, ich danke dem Herrgott, dass er mir das Leben gerettet hat. Deo gratias.« Die Sätze waren mehr gehaucht als gesprochen. »Ich hätte sterben können, Herr Senner, einfach so, auf dem Fußboden Ihres Flurs, in meinem Blut, im Dreck.«
    »Nix Dreck, den Boden hatte Teresa vorher gewischt.« Baltasar versuchte es mit Humor, um den Leidenden aufzuheitern. »Freuen Sie sich doch auf die Vollpension hier, und Fernsehen gibt’s auch.«
    »Die übertragen keine Gottesdienste, nur diesen Schund, diese Shows und Filme mit anzüglichen Frauen, halbnackt, die einem ihre … ihre Brüste entgegenstrecken, schamlos, so etwas.«
    »Wie wär’s, wenn Sie einfach mal umschalten auf einen anderen Sender? Auf den dritten Programmen gibt es wunderbare Heimatsendungen …«
    »Ich muss studieren, in welcher Fratze sich der Teufel uns heute offenbart. Das ist eine Prüfung für mich, schlimmer als eine Selbstgeißelung mit der Peitsche. Sonst komme ich nie dazu, diese Filme anzuschauen, ich lese lieber theologische Schriften. Die Welt von heute ist so … so …« Erschöpft ließ er sich ins Kissen zurückfallen.
    »Sie haben doch einen Zimmergenossen.« Baltasar wies auf das leere Bett neben dem Pater. »Wo steckt der eigentlich? Mit dem können Sie sich unterhalten und die Zeit vertreiben.«
    Ein Schmerzensseufzer entfuhr Pretorius. »Dieser … Dieser Mensch! Hat dauernd Besuch, Kinder, die laut rumschreien, seine Frau, noch zwei Frauen, die seine Schwestern sind, wie ich mit anhören musste, ich bin froh, dass er gerade in den Garten gegangen ist, eine Zigarette rauchen. Und dann schnarcht dieser Mensch! In der letzten Nacht habe ich kein Auge

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