Stossgebete - Ein Krimi aus dem Bayerischen Wald
zugetan. Ich habe zu Gott gebetet, um Schlaf gebetet, aber er wollte mich, seinen treuen Diener Pretorius, testen. Aber ich hab’s nicht mehr ertragen und mit Bananen nach ihm geworfen.« Er deutete auf die leere Obstschale. »Vergeblich! Aber wissen Sie, was das Schlimmste ist, schlimmer als das Schnarchen? Dieser Mensch ist evangelisch! Das passiert mir, einem Jesuiten! Von allen Bewohnern des Bayerischen Waldes muss ich gerade den einen erwischen, der kein Katholik ist. Mit einem solchen Subjekt kann man sich nicht unterhalten, das müssen Sie doch verstehen, Herr Senner. Was macht übrigens Fräulein Teresa? Warum ist sie nicht mitgekommen, meine Lebensretterin?«
Baltasar sagte etwas von dringenden Erledigungen und überlegte, mit welcher Ausrede er diesem Krankenzimmer entfliehen konnte.
»Eine Bitte, Herr Senner. Könnten Sie Teresa auftragen, mir ein frisches Nachthemd zu bringen und einige Bücher? Ist alles in meinem Koffer. Und wenn Sie zu diesem Arzt, Herrn Knoll, gehen könnten und mit ihm reden, damit er mich rausholt. Ich halt’s hier nicht mehr aus.«
Baltasar nutzte den Auftrag, sich umgehend von Pretorius zu verabschieden, und betete im Stillen, das Krankenhaus möge ihn noch recht lange dabehalten. Er fuhr zu Emanuel Rossmüller, mit dem er sich verabredet hatte. Der Heimatpfleger empfing ihn an der Tür, und sie setzten sich in die Küche.
»Ich habe mich an unsere Besichtigungstour wegen der Totenbretter erinnert«, sagte Rossmüller. »Ich habe gerade einige Kartons mit altem Material erhalten, Fotos, Listen, Landkarten und so was. Als Heimatpfleger bekommt man solche Schenkungen öfter von Leuten, die ihren Speicher ausmisten und glauben, die Sachen wären von historischem Wert. Meistens taugt es leider nur für den Abfall. Sei’s drum. Bei den jüngsten Lieferungen habe ich allerdings einige schöne Aufnahmen alter Gedenkbretter gefunden. Wenn es Sie interessiert, Hochwürden, zeige ich Ihnen demnächst die Fotos. Ich muss das Material erst noch sichten und katalogisieren.«
»Gerne, danke, dass Sie an mich gedacht haben.« Baltasar beugte sich vor. »Ich habe noch eine Frage, Herr Rossmüller, es ist nichts Besonderes, nur persönliche Neugier.«
»Ich helfe immer gerne, wenn ich kann. Worum geht’s?«
Jetzt kam der schwierigste Teil. Baltasar hatte sich einen Plan zurechtgelegt, um der Wirtin der »Einkehr« zu helfen. Was er nun machte, war strenggenommen eine Sünde, aber eine harmlose kleine Sünde. Er tat es für Victoria Stowasser. Nur für sie. »Ich war neulich auf der Baustelle für das neue Sporthotel. Ich weiß nicht, wer es erzählt hat, aber irgendjemand meinte, er habe dort eine tote Fledermaus gefunden, direkt am Waldrand. Das fand ich spannend. Ich wusste gar nicht, dass wir in unserer Gegend Fledermäuse haben. Haben Sie mehr Informationen darüber?«
»Das höre ich zum ersten Mal. Fledermäuse sind hier äußerst selten. Wie sah das Tier denn aus?«
»Keine Ahnung. Ich glaube, der Mann sprach davon, das Tier habe schwarzes Fell, breite Ohren und einen seltsamen Mund gehabt, irgendwie eingedrückt, wie die Schnauze eines Boxerhundes.«
»Mit Fledermaus-Arten kenne ich mich nicht besonders gut aus, ich müsste mich schlau machen. Hat man das tote Tier denn aufgehoben? Dann könnte ich es von einem Fachmann untersuchen lassen.«
»Nein, der Mann hat den Kadaver verscharrt, wenn ich mich recht erinnere. Ist auch nicht so wichtig, ist nur eine Fledermaus.«
»Sagen Sie das nicht! Es kommt auf die Art an. Mir ist das bei meiner Arbeit noch nicht begegnet.« Rossmüller klang aufgeregt. Wahrscheinlich, dachte Baltasar, sah er sich bereits als Entdecker einer neuen Gattung auf den Titelseiten der Fachmagazine.
»Übrigens habe ich selbst vor Kurzem eine Fledermaus bei uns gesehen.«
»Wirklich? Handelte es sich dabei um dieselbe Art?«
»Das müssen Sie herausfinden, Sie sind der Experte. Es war schon Nacht, ich wollte noch Luft schnappen, und dann habe ich ein großes Exemplar oben am Berg bei der Quelle gesehen.« Was in etwa der Wahrheit entsprach, wobei Baltasar verschwieg, dass es eine Fledermaus in Menschengestalt gewesen war – Nepomuk Hoelzl, der im Vampirgewand zu den Marienkindern predigte.
Jedenfalls hatte Rossmüller den Köder geschluckt. Nun hieß es abwarten. Baltasar verabschiedete sich und fuhr weiter zur Praxis des Arztes.
Doktor Knoll begleitete gerade einen Patienten zur Tür. »Was kann ich für Sie tun, Herr Pfarrer?«
Baltasar
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