Stossgebete - Ein Krimi aus dem Bayerischen Wald
der Polizei.«
»Drohen Sie mir nicht, Herr Pfarrer. Keine Drohungen! So können Sie mit Ihren Ministranten umspringen, aber nicht mit mir!«
»Ich bitte Sie lediglich um ein Gespräch, mehr nicht. Sie haben doch nichts zu verbergen, oder? Es sind einige Tatsachen ans Licht gekommen, für die ich gerne eine Erklärung hätte, weil sie in meinen Bereich als Pfarrer fallen. Diese Tatsachen könnten auch die Kripo interessieren, deshalb mein Hinweis darauf.«
»Was wollen Sie wissen? Ich muss weiterarbeiten.« Er ging zu einer Werkbank, holte einen armdicken Stamm und spannte ihn ein. Mit einem Stift schrieb er den Typ, die Auftragsnummer und eine Buchstabenfolge auf das Holz.
»Zuerst der Rosenkranz, Sie wissen schon, welchen ich meine. Nach meinen Informationen haben Sie damals den Ankauf finanziert und ihn dann der Kirche gestiftet, was sehr nobel ist. Warum aber diese Heimlichtuerei?«
»Wer sagt, dass ich die Gebetskette gekauft habe?«
»Verlässliche Quellen der Diözese.«
»Verstehe. Dort hocken auch nur noch Weicheier und Klatschweiber. Auf nichts mehr ist Verlass, das sag ich schon immer. Nun, es stimmt, ich habe Geld für den Rosenkranz gegeben.«
»Und?«
»Nichts und. Der frühere Pfarrer hatte um Spenden gebeten, und viele haben was in den Klingelbeutel getan. Aber es reichte nicht. Also hab ich den Rest draufgelegt. Weil das damals für mich viel Geld war, habe ich um eine Quittung gebeten, das aber nie an die große Glocke gehängt. Mir ging’s nicht darum, mich mit der Gabe zu brüsten, der Herr sei mein Zeuge.«
»Seinen Glauben zu zeigen, dazu braucht es kein Vermögen.«
»Wir … Ich meine, ich wollte etwas Einzigartiges für die Maria der Kirche, ein Dekor, das ihrer würdig ist, das die Bedeutung der Heiligen Jungfrau hervorhebt.«
»Warum gerade die Gottesmutter, warum nicht einen anderen Heiligen verehren oder unseren obersten Herrn?«
»Das verstehen Sie nicht, Hochwürden. Die heilige Maria ist etwas Besonderes. Eine Frau, voll der Gnade. Sie ist mein Herz, meine Seele. Sie ist wie eine Braut für mich. Ich teile mit ihr alle Freude, alles Leid, sie versteht mich, sie hört mir zu. Deshalb habe ich auch nie geheiratet. Ich brauch keine andere Frau. Die Mutter Gottes gibt mir so viel.« Er bekreuzigte sich.
»Und deshalb haben Sie die Marienkinder gegründet?«
Hoelzl sah ihn wortlos an, ging zu einem Regal und nahm eine Art Machete aus massivem Stahl, ein Mittelding zwischen Beil und Schwert. Er begann, mit geschickten Schlägen überstehende Astreste wegzuhacken. Baltasar stellte sich vor, wie leicht man mit einem solchen Werkzeug die Wirbelsäule eines Mädchens durchtrennen konnte.
»Sie sind doch das Oberhaupt dieser Marienkinder? Warum leugnen Sie das, warum leugnen Sie Ihren Glauben?«
»Wagen Sie es nicht, mir so etwas zu unterstellen!« Er hatte aufgehört zu arbeiten, behielt die Machete aber in der Hand. »Sie mit Ihrem armseligen Amtsglauben! Gott stellt uns frei, wie wir zu ihm finden, ob wir ihn direkt ansprechen oder über Maria. Sie ist die Allerhöchste. Die Marienverehrung ist fast so alt wie der christliche Glaube selbst. Schon immer kamen Menschen zusammen, um die Gottesmutter gemeinsam zu verehren.«
»Ihr Denkfehler ist nur: Dazu braucht es keine Geheimsekte, keinen selbsternannten Guru und keine Gehirnwäsche.«
Hoelzl hob die Machete und zielte damit direkt auf Baltasars Brust. »Sie … Sie Unwissender! Sie haben ja keine Ahnung! Ein Versprechen, der Mutter Gottes zu dienen, ist wie eine Hochzeit im Glauben.«
»Und welche Rolle spielen Sie dabei? Den Bräutigam? Den Brautvater? Den lieben Gott?«
»Ich helfe den Menschen spirituell, das ist eine Gabe, die mir Gott gegeben hat. Ein Geschenk. Ich höre ihn, verkünde den anderen seine Worte. Und die Gruppe gibt dafür das Versprechen ab, ihr Glück nur mit den Erleuchteten zu teilen und Fremde außen vor zu lassen.«
»War das unbekannte Mädchen solch eine Fremde? Wollte sie aufgenommen werden in den Kreis der Marienkinder? Ein Wunsch, der tödlich endete?« Es war ein Versuch, Hoelzl aus der Reserve zu locken.
»Ihre Frage ist mutig. Sie glauben. Deswegen haben Sie Mut.« Hoelzl hob die Machete so, dass die Spitze sich in Baltasars Kleidung bohrte. Er konnte das Metall auf seiner Brust spüren. Es schmerzte. Doch er blieb unbeweglich stehen und schickte zwei Stoßgebete gen Himmel, eins für Jesus, eins für Maria, dass er heil aus der Sache herauskäme.
»Sie sind nicht unser Kontrolleur, wir
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