Stossgebete - Ein Krimi aus dem Bayerischen Wald
habe einen weiteren Interessenten für das Weihrauchpaket, das Sie mir schulden, gegen Bezahlung, versteht sich. Also doppelte Menge liefern. So ist die finanzielle Einbuße nur halb so groß.«
Die Information bestätigte, was Baltasar bereits geahnt hatte: Hoelzl als die treibende Kraft, der Anführer der Marienkinder, der auch für eine passende Reliquie gesorgt hatte. Vermutlich hatte er noch Sponsoren gesucht und sich an Lydia Schindler gewandt, deren Familie über genügend Geld verfügte. Wurde Zeit, sich näher mit diesem Hoelzl zu beschäftigen. Baltasar radelte zu Philipp Vallerot und fragte ihn nach seinen Spionageaktivitäten.
»Der Job, den du mir gegeben hast, ist stinklangweilig.« Vallerot machte ein verdrießliches Gesicht. »Und das bei dem Gehalt. Ich hoffe, dein Großer Außerirdischer weiß es zu schätzen. Eigentlich müsste ich Schmerzensgeld fordern. Da ist es spannender, sich Rosamunde-Pilcher-Filme anzugucken.«
»Du wirst es schon überleben. Hast doch sonst nichts vor. Immer nur vor dem Computer sitzen, Musik hören oder Videos anschauen, das ist auf Dauer doch öde. Jetzt hast du immerhin das gute Gefühl, etwas Sinnvolles in deinem Leben zu machen.«
»Als Knecht der katholischen Kirche, was für eine Perspektive! Außerdem weißt du gar nicht, was ich sonst noch mache.«
»Das stimmt. Du erzählst nie was von deiner Vergangenheit und deinen früheren Jobs. Schon gar nicht, woher du dein Vermögen hast.«
»Ich will dich nicht mit alten Geschichten langweilen. Was diesen Hoelzl angeht: Er fährt jeden Tag zur Arbeit und bleibt abends allein zu Hause. Einmal ist er mit diesem Landwirt Fink auf den Berg marschiert zu dieser Quelle, einmal war er bei den Schindlers zu Besuch. Ich hab’s übrigens nur von fern aus beobachtet, da ich nicht auch noch Freundschaft mit diesem Dobermann schließen wollte. Ansonsten fuhr der Mann zwei Mal in die Kapelle nach Arnbruck. Hat die Kirche offenbar in sein Herz geschlossen. Oder es waren die Totenbretter davor, die ihn so faszinieren, dass er immer wieder dort hinfährt, ich weiß es nicht. Das war’s schon, das war mein ganzer Bericht. Und dafür habe ich meine kostbare Lebenszeit geopfert.«
»Ich werde für dich eine Kerze anzünden. Unter der Heiligen Mutter Gottes. Vielleicht hat sie Erbarmen mit dir. Bis dahin bräuchte ich wieder dein Auto, um diesen Nepomuk Hoelzl zu besuchen. Es dauert nicht lange …«
»Oha, du suchst das Abenteuer. Ich denke, ich sollte mitkommen und dir mit einer Schrotflinte den Rücken freihalten. Bei diesen Glaubensfanatikern weiß man nie. Erinnerst du dich noch an die Jones-Sekte in Südamerika, deren Mitglieder sich reihenweise selbst ins Jenseits befördert haben? Oder an die Sonnentempler in der Schweiz und in Frankreich, die Abtrünnige massakrierten? Ich kann dir nur raten, dich zu bewaffnen. Nimm wenigstens einen Elektroschocker mit. Denk an Max, den Dobermann.«
»Ich bin doch nicht auf dem Kreuzzug. Mir reicht dein Autoschlüssel.«
Hoelzls Arbeitsstelle lag in der Nähe von Mauth, einem Ort unweit der tschechischen Grenze. Das Sägewerk bildeten drei langgezogene Gebäude in einem kleinen Gewerbegebiet im Wald. Baltasar parkte vor dem Verwaltungstrakt. Das Büro war geschlossen. Hatte die Belegschaft schon Feierabend? In einer offenen Halle lagerten bis an die Decke Holzbalken, gehobelte Bretter und ganze Baumstämme. Von der dritten Halle war Maschinengeräusch zu hören. Die Tür war nur angelehnt, Baltasar ging hinein. Sofort empfing ihn ohrenbetäubendes Kreischen. Ein Angestellter in Blaumann, mit Helm, Ohrenschutz und Sicherheitsbrille bediente eine Kreissäge. Baltasar rief, aber der Lärm war stärker. Er ging auf den Arbeiter zu und tippte ihm auf die Schulter. Der Arbeiter fuhr herum – Baltasar blickte direkt in die Augen von Nepomuk Hoelzl. Das Bild passte gar nicht zu dem Mann, der als Prediger im Umhang bei der Bergquelle aufgetreten war. Niemand würde vermuten, dass es sich dabei um ein und dieselbe Person handelte.
Hoelzl legte einen Schalter um. Der Lärm erstarb. »Was wollen Sie denn hier, Herr Senner? Die Gegend gehört doch gar nicht zu Ihrer Gemeinde.«
»Mit Ihnen reden, es gibt da ein paar Themen …«
»Kann das nicht warten bis Feierabend? Überhaupt: Was ist, wenn ich gar nicht mit Ihnen reden will? Wenn ich nichts zu erzählen habe?«
»Warum so unfreundlich, Herr Hoelzl? Ich bin extra hergefahren, um Sie zu treffen. Ich denke, Sie sprechen lieber mit mir als mit
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