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Stout, Maria

Stout, Maria

Titel: Stout, Maria Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Soziopath von nebenan
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haben auch, seltsam genug, die Hormone.
Diese Beeinträchtigung des Gewissens wird durch Daten der bundesweiten
Adoptionsvermittlung ("National Adoption Information Clearinghouse")
prägnant belegt, denen zufolge 15 bis 18 Prozent der Geburten der jüngeren
Vergangenheit in den USA zum Zeitpunkt der Empfängnis "von der Mutter
nicht gewollt" waren. Zwar ist anzunehmen, dass einige dieser
Schwangerschaften die Folge von Unwissenheit oder eines echten "Unfalls"
waren, aber dennoch bedeutet es, dass Hunderttausende von brandneuen
Amerikanern jetzt das unsichere Dasein eines ungewollten Kindes fristen, nur
weil ein körperliches Verlangen jeweils für ein paar Minuten die Gewissen
ihrer Eltern überschattet hat. Geht es um sexuelles Verlangen, räumen wir ein,
wie schwierig es sein kann, unserer biologischen Natur zu widerstehen und
titulieren Fälle eines standhaft gebliebenen Gewissens mit der hehren
Bezeichnung "Tugend". Es ist bemerkenswert, dass wir vielfach nach
dieser Definition mit vierzig "tugendhafter" sind, als wir es mit
zwanzig waren und dass diese "Tugendhaftigkeit" sich schlichtweg
durch Alterung eingestellt hat.
    Darüber
hinaus gibt es tragische biologische Unterwanderungen des Gewissens. Dazu
zählen verschiedene schizophrene Störungen, die manchmal zur Folge haben, dass
das Verhalten der betroffenen Personen von psychotischen Wahnvorstellungen verursacht
wird. Wenn das menschliche Gehirn in dieser Weise geschädigt ist, dann ist die
Behauptung "Das haben mir die Stimmen befohlen" kein Witz, sondern
schreckliche Realität. So kann es vorkommen, dass eine gepeinigte Seele, deren
Psychose kommt und geht, aus dem Wahnsinn "erwacht" und feststellen
muss, dass sie aus einer Wahnvorstellung heraus gegen das eigene Gewissen und
Wollen gehandelt hat.
    Zum Glück
sind körperliche Zwänge, die sich auf das Gewissen auswirken, eng umrissen.
Sieht man von Gefechtssituationen ab, treten Lebenslagen, in denen wir schwer
verwundet wichtige moralische Entscheidungen treffen müssen, wohl kaum jeden
Tag auf, nicht einmal in jedem Jahr, und für die meisten Menschen ist ein
sexueller Rausch ähnlich rar. Unkontrollierte paranoide Schizophrenie ist
vergleichsweise selten. Mithin können biologisch verursachte Einschränkungen
unserer Moral insgesamt nur einen geringen Teil des unfassbar schlechten
Verhaltens erklären, über das Zeitungen und Fernsehen zu jeder Stunde des Tages
berichten. Schizophrene Menschen kommen kaum als organisierte Terroristen in
Betracht. Zahnschmerzen verursachen keine hasserfüllten Verbrechen.
Ungeschützter Sex verursacht keine Kriege.
    Wo also
liegen die Ursachen?
     
    Moralische Ausgrenzung
     
    Alljährlich
wird am 4. Juli* in
meinem Heimatstädtchen in Neuengland zur Feier des Tages ein mächtiges
Freudenfeuer, drei
     
    *
Anmerkung des Übersetzers: Der 4. Juli ist der "Independence Day" (Unabhängigkeitstag)
und Nationalfeiertag der USA.
     
    Stockwerke
hoch, am Strand entfacht. Ausgetrocknete Holzpaletten werden zusammengenagelt
und kunstvoll zu einem turmartigen Gebilde aufgeschichtet, das unsere
malerische Landschaft schon Tage vor dem Vierten überragt. Der Turm ist mit
genügend Brettern und Zwischenräumen für die Belüftung so konstruiert, dass er
leicht entflammbar ist. Er wird entzündet, wenn es dunkel wird, während die
freiwillige Feuerwehr mit ihren Schläuchen für alle Eventualitäten bereitsteht.
Die Stimmung ist festlich. Die Kapelle spielt patriotische Stücke, es gibt Hot
Dogs und kalte Limonade und ein Feuerwerk. Wenn das Feuer ganz heruntergebrannt
ist, kehren die Kinder an den Strand zurück, wo die Feuerwehrmänner sie
pflichtschuldigst mit ihren Schläuchen durchnässen.
    Das alles
ist seit sechzig Jahren Tradition in unserem Städtchen. Da ich allerdings große
Feuer nicht sonderlich mag, habe ich bisher nur einmal daran teilgenommen, im
Jahr 2002, nachdem mich Freunde ermuntert hatten mitzukommen. Ich war
überwältigt von der Anzahl Menschen, die es irgendwie geschafft hatten, sich in
unsere winzige Ecke der atlantischen Küste zu drängen und zum Teil aus einer
Entfernung von 80 Kilometern oder mehr angereist waren. Ich drängelte mich mit
der Menge nach einem Platz, der nahe genug am Feuer war, um gute Sicht zu
haben, aber weit genug entfernt, um mir nicht die Augenbrauen zu versengen - so
dachte ich jedenfalls. Ich war gewarnt worden, dass das Feuer, wenn es erst
einmal voll entflammt war, mehr Hitze erzeugen würde, als ich mir vorstellen
konnte, und mit

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