Stout, Maria
hatte man ihre Referenzen
geprüft; allerdings durch zwei außerordentlich renommierte Männer, die sich
wider besseres Wissen auf gewisse kompromittierende Verhältnisse mit ihr
eingelassen hatten. Die Personalkommission hat die von ihr präsentierten
Zeugnisse nicht überprüft. Da sie von so hoher Stelle empfohlen worden war,
hatte man schlichtweg angenommen, dass sie promoviert hätte. Wer würde denn,
um Himmels willen, bei so etwas lügen? Und was ihre Fähigkeit angeht, sich
hinreichend glaubwürdig als Psychologin aufzuführen, um Kollegen und Patienten
zu übertölpeln - nun, Doreen ist der Meinung (und zwar anscheinend zu Recht),
dass man viel aus Büchern lernen kann.
Doreen hat
soeben ihren rekonvaleszenten 8 -Uhr-Patienten
empfangen, ihn als Vergeltung an einer unschuldigen Kollegin in einen akut
paranoiden Zustand versetzt und ihn in eine geschlossene Abteilung verlegt, wo
er sediert und eingesperrt worden ist. Womit wird sie den Rest des Tages
zubringen? Sollten wir wieder in ihrem Büro zu ihr stoßen, würden wir
feststellen, dass sie seelenruhig weitere Termine mit Patienten wahrnimmt,
telefoniert, Papierkram erledigt und an einer Personalbesprechung teilnimmt.
Wir würden wahrscheinlich nichts Ungewöhnliches feststellen. Ihr Verhalten
würde weitgehend normal auf uns wirken, oder zumindest nicht auffallen.
Vielleicht bewirkt sie nicht viel Gutes für ihre Patienten, aber sie fügt ihnen
auch keinen offensichtlichen Schaden zu, abgesehen von Fällen wie heute Morgen,
als das Manipulieren eines Patienten ihr dazu diente, einer Kollegin zu
schaden, die sie ins Visier genommen hat.
Warum
sollte sie ihre Fähigkeiten gegen stationäre Psychiatriepatienten einsetzen?
Sie haben nichts, was sie will. Sie sind von der Welt entrechtet, und sie kann
sich mächtig fühlen, indem sie einfach im selben Raum mit ihnen sitzt. Eine
Ausnahme könnte die gelegentliche Patientin sein, die ein bisschen zu attraktiv
oder, schlimmer noch, ein bisschen zu klug ist. Dann würde Doreen sie
vielleicht ein bisschen erniedrigen wollen und ein wenig den Selbsthass
anstacheln, unter dem solche Patienten in der Regel ohnehin zu leiden haben. In
ihrer Rolle als Psychotherapeutin findet sie das lächerlich einfach zu
bewerkstelligen. Die Gespräche finden stets zu zweit statt, und der Patient
versteht nicht gut genug, wie ihm geschehen ist, um sich bei jemandem außerhalb
des Therapiezimmers darüber beschweren zu können.
Wenn aber
ein Mensch bei Doreen kein Begehren weckt nach etwas, was er besitzt oder ist, dann wird
sie ihn nicht angreifen. Im Gegenteil, womöglich verhält sie sich gegenüber
gewissen Personen, die sie für Underdogs hält, besonders nett und höflich,
wenn sie ihr als nützlich erscheinen, ihre Tarnung im Schafspelz aufrechtzuerhalten.
Es gehört zu dieser Tarnung, sich überaus nett, fürsorglich, verantwortungsvoll
und hoffnungslos überarbeitet zu geben. Am Ende des Arbeitstages, an dem sie
heimlich Jackie Rubenstein und Dennis sabotiert hat, ist es ihr zum Beispiel
wichtig, beim Verlassen der Klinik kurz an Ivys Schreibtisch zu verweilen, um
mit ihr ein liebenswürdiges Schwätzchen zu halten. Sie versucht, das jeden
Abend so einzurichten. Ivy ist die Stationssekretärin und Rezeptionistin für
die Mediziner der Station, und man weiß ja nie, wann einem eine strategisch so
günstig platzierte Person nützlich werden könnte.
Doreen
kommt aus ihrem Büro, lässt sich in einen der Sessel im Warteraum fallen und
sagt, "Ach, Ivy! Ich bin so froh, dass dieser Tag vorbei ist!"
Ivy ist
zwanzig Jahre älter als Doreen. Sie hat Übergewicht und trägt große
Plastik-Ohrringe. Doreen findet sie peinlich.
Ivy
antwortet ihr mütterlich, "Ich weiß. Sie armes Ding. Und der arme Dennis!
Ich bin kein Arzt, aber ich sehe eine Menge Patienten, wissen Sie, und ich war
ganz hoffnungsvoll.... Ich hab mich wohl geirrt."
"Nein,
nein. Sie sind sehr aufmerksam. Für eine Weile schien es ihm tatsächlich besser
zu gehen. Diese Arbeit kann einem manchmal das Herz brechen."
Natürlich
war Dennis am Morgen von den beiden energischen Pflegern genau vor Ivys
schreckgeweiteten Augen abgeführt worden. Jetzt schaut sie Doreen besorgt an.
"Wissen
Sie, Frau Dr. Littlefield, ich mache mir Sorgen um Sie."
Als Ivy
dieses Geständnis macht, bemerkt sie, dass sich Doreens Augen mit Tränen
gefüllt haben, und fährt mit gedämpfter Stimme fort, "Ach je, das war
sicherlich ein schrecklicher Tag für Sie, nicht wahr, meine Liebe? Ich
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