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Stout, Maria

Stout, Maria

Titel: Stout, Maria Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Soziopath von nebenan
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dass Dennis niemandem erzählen wird, was sie ihm gerade gesagt
hat. Dennis verrät seine Geheimnisse nicht. Aber selbst wenn er jemandem davon
erzählen sollte, wird man ihm nicht glauben. Niemals glaubt man einem Patienten
mehr als einem Arzt. Und so, wie sie ihn eben gesehen hat, wird er für ziemlich
lange Zeit außer Gefecht sein und überhaupt nicht viel reden. Mit einem Anflug
von Befriedigung denkt sie daran, dass Jackie Rubenstein gerade einen wirklich
bezaubernden VIP-
    Patienten
verloren hat. Er wird fortan in Bezug auf Jackie völlig paranoid sein, und das
Beste daran ist, dass Jackie sich selbst die Schuld daran geben und meinen
wird, sie hätte in seiner Therapie etwas Wichtiges übersehen oder etwas
Schädliches gesagt. In solchen Dingen ist Jackie ein Schwächling. Sie wird die
ganze Kritik einstecken und den Patienten einem anderen Therapeuten überlassen.
Und damit hätte sich dann erst einmal das ganze Gerede in der Klinik, dass Dr.
Rubenstein Wunder bewirken könne, erledigt.
     
    Lug und Trug
     
    Der
Persönlichkeitstheoretiker Theodore Millon 26 würde Doreen
Littlefield eine "begehrliche Psychopathin" ("covetous psychopath") nennen, wobei "Psychopathin" sich auf Soziopathie bezieht
und "begehrlich" seine gewöhnliche Bedeutung hat: ein übersteigertes
Verlangen nach fremdem Besitz. Soziopathen sind nicht immer begehrlich - einige
sind völlig anders motiviert -, aber wenn des Fehlen eines Gewissens und Begehrlichkeit
in derselben Person zusammenkommen, entsteht ein faszinierendes und
beängstigendes Bild. Da es schlechterdings unmöglich ist, die wertvollsten "Besitztümer"
- Schönheit, Klugheit, Erfolg, einen starken Charakter - eines anderen Menschen
zu stehlen und sich anzueignen, begnügt sich der begehrliche Psychopath damit,
beneidenswerte Eigenschaften anderer Menschen in den Schmutz zu ziehen oder zu
beschädigen, um sie der anderen Person zu nehmen oder zumindest zu verleiden.
Um es mit Millon auszudrücken, "Hier liegt das Vergnügen im Nehmen statt
im Besitzen."
    Der
begehrliche Soziopath hat das Gefühl, dass das Leben ihn irgendwie betrogen und
ihm nicht annähernd dieselben Gaben wie anderen Menschen verliehen hat, und so
muss er den existenziellen Punktestand ausgleichen, indem er andere beraubt
oder heimlich in ihrem Leben Zerstörungen anrichtet. Er meint, zu kurz gekommen
zu sein durch Geburt, Umstände und Schicksal, und sieht im Herabsetzen anderer
Menschen sein einziges Mittel, Macht auszuüben. Vergeltung, zumeist an völlig
Ahnungslosen, ist die wichtigste Beschäftigung im Leben eines begehrlichen
Soziopathen, sein wichtigstes Anliegen.
    Da dieses
heimliche Machtspiel höchste Priorität hat, widmet ihm der Soziopath seine
ganze Hinterlist und Risikofreude. Um des Spiels willen mag er Ränke schmieden
und Taten vollbringen, die die meisten Menschen für empörend und potenziell
selbstzerstörerisch halten würden, und überdies für grausam. Und doch sind wir
oft blind für seine Aktivitäten, wenn wir es - womöglich gar jeden Tag - mit
einem solchen Menschen zu tun haben. Wir rechnen nicht damit, dass ein Mensch
einen gefährlichen, bösartigen Rachefeldzug gegen jemanden führen könnte, der
ihn in keiner Weise verletzt oder gekränkt hat. Wir rechnen nicht damit und
erkennen es daher nicht, selbst wenn es jemandem widerfährt, den wir kennen -
oder gar uns selbst. Die Taten von begehrlichen Soziopathen sind oft so bizarr
und grundlos niederträchtig, dass wir nicht glauben können, dass eine Absicht
dahintersteckt - oder dass sie überhaupt passiert sind. Und so ist sein wahrer
Charakter in der Gruppe zumeist nicht erkennbar. Er kann sich leicht auf
offenem Gelände verstecken, so wie es Doreen für fast ein Jahrzehnt gelungen
ist, inmitten durchaus intelligenter, professioneller Menschen an der Klinik.
    Der
begehrliche Soziopath ist der sprichwörtliche Wolf im Schafspelz, und in
Doreens Fall ist die Tarnung besonders aufwändig. Doreen ist Psychologin, oder
zumindest glauben das alle an der Klinik, was für Doreen Littlefields Zwecke
praktisch gleichbedeutend ist. Die Wahrheit, sollte sie denn jemals ans
Tageslicht kommen, ist, dass sie weder eine Approbation noch einen Doktorgrad
hat. Als sie zweiundzwanzig war, hat sie tatsächlich ein Diplom im Fach
Psychologie an der Staatsuniversität ihres heimatlichen Bundeslandes abgelegt,
aber das ist alles. Der Rest ist eine extravagante Scharade. Als sie von der
Klinik als promovierte Psychologin eingestellt wurde,

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