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Stout, Maria

Stout, Maria

Titel: Stout, Maria Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Soziopath von nebenan
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Klinik werden sie nicht
strafrechtlich verfolgen für den an ihnen begangenen, kriminellen Betrug. Sie
wird nie auch nur halbwegs angemessen für die unzähligen von ihr verübten
psychologischen Attacken bestraft werden. Letztlich ist sie ein gutes Beispiel
für den Unterschied zwischen einem Soziopathen und einem Kriminellen, der
erstaunlicherweise dem entspricht, was ein ungezogenes, aber vermeintlich
artiges, dreijähriges Mädchen unterscheidet von einem, das getadelt wird, weil
es Bonbons aus der Tasche seiner Mutter genommen hat. Der Unterschied ist
schlicht und ergreifend, ob es ertappt worden ist oder nicht.
    Und dass
Erwachsene für ihre gewissenlosen Handlungen belangt werden, ist wohl eher die
Ausnahme als die Regel. Da vier Prozent der Gesamtbevölkerung soziopathisch
sind, hätte man Grund zu der Annahme, dass unsere Gefängnisse von Soziopathen
bersten und nicht genug Platz für andere Straftäter bleibt. Das ist aber nicht
der Fall. Laut Robert Hare und anderen Forschern, die Strafgefangene untersucht
haben, sind im Durchschnitt nur etwa 20 Prozent der Häftlinge beiderlei
Geschlechts in den USA Soziopathen. 27 Hare und andere legen Wert
auf die Feststellung, dass diese 20 Prozent der Gefängnispopulation für mehr
als 50 Prozent der "schwersten Straftaten" (Erpressung, bewaffneter
Raub, Entführung, Mord) und der Verbrechen gegen den Staat (Landesverrat,
Spionage, Terrorismus) verantwortlich sind.
    Mit
anderen Worten: Die meisten überführten Kriminellen sind keine Soziopathen.
Vielmehr sind sie Menschen mit grundsätzlich normalen
Persönlichkeitsstrukturen, deren Verhalten das Ergebnis negativer sozialer
Faktoren wie zum Beispiel Drogen, Missbrauch als Kind, häuslicher Gewalt und
generationenübergreifender Armut ist. Die Statistik sagt auch aus, dass
soziopathische Straftaten nur sehr vereinzelt der Strafjustiz zur Kenntnis
gelangen - dass also nur sehr wenige Soziopathen im formalen Sinn kriminell
sind. Das am häufigsten auftretende soziopathische Profil ist, wie bei Doreen,
von ständigen Betrügereien und Täuschung geprägt, und nur die eklatantesten
Verbrechen (Entführung, Mord, und so weiter) können auch von einem
einigermaßen intelligenten Soziopathen nur schwer verheimlicht werden. Einige -
aber keineswegs alle - der bewaffneten Räuber und Entführer unter den
Soziopathen werden gefasst. Die Doreen Littlefields der Welt kommen meist
ungeschoren davon, und selbst wenn sie ertappt, also ihre Taten erkannt werden,
müssen sie kaum damit rechnen, strafrechtlich zur Verantwortung gezogen zu
werden. Das führt dazu, dass die meisten Soziopathen nicht inhaftiert werden.
Sie tummeln sich, zusammen mit Ihnen und mir, auf dieser Welt.
    Im
nächsten Kapitel werden wir die zahlreichen Gründe erörtern, warum Menschen
mit einem Gewissen so große Schwierigkeiten haben, gewissenlose Individuen zu "sehen"
und effektiv mit ihnen umzugehen. Diese Gründe reichen vom Psychoterror der
Psychopathen bis hin zu unseren eigenen, unangebrachten Schuldgefühlen.
Zunächst lassen Sie uns aber noch einmal in die Klinik zurückkehren, und zwar,
um das von Dr. Jackie Rubenstein bewirkte Wunder zu erleben, oder eigentlich
zwei Wunder.
    Es sind
vier Tage vergangen, seit Dennis in eine geschlossene Abteilung eingewiesen
wurde. Es ist Sonntag und das Klinikgelände liegt verlassen da, bis auf ein
kleines Auto, das die schmale Zufahrt zu dem Gebäude entlang fährt, in dem
Dennis untergebracht ist, und vor der Eingangstür hält. Dr. Rubenstein steigt
aus und wühlt in ihrer Manteltasche nach dem großen, fast mittelalterlich
anmutenden Hauptschlüssel, der ihr den Zugang zu dem dreistöckigen, aus Stein
erbauten Gebäude ermöglicht. Auch wenn sie inzwischen acht Jahre an der Klinik
gearbeitet hat, umklammert sie immer noch den schweren Generalschlüssel in der
Hand, anstatt ihn zurück in ihre Tasche zu stecken, wenn sie eine Station wie
diese betreten hat und die Tür hinter ihr ins Schloss gefallen ist. Sie ist
gekommen, um ein letztes Mal zu versuchen, ihren verstörten Patienten Dennis
dazu zu bewegen, mit ihr zu sprechen. Als sie die eigentliche Station betritt -
und eine weitere Stahltür sich automatisch hinter ihr geschlossen und
verriegelt hat -, sieht sie Dennis auf einem grünen Vinylsofa sitzen und einen
nicht eingeschalteten Fernseher anstarren. Er sieht hoch, ihre Blicke treffen
sich für einen Moment, und zu ihrer Überraschung und Erleichterung winkt er
ihr, sich zu ihm zu setzen.
    Dann
geschieht

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