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Strafbataillon 999

Strafbataillon 999

Titel: Strafbataillon 999 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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wäre, der ihm geschrieben hatte: Dr. Kukill. Er war schuld. Wäre er nicht gewesen, so würde er, Deutschmann, immer noch in Berlin leben, arbeiten – zusammen mit Julia. Mit einer gesunden, schönen Julia, seiner Frau, seiner wunderbaren Frau, die nicht nur Ehefrau war, sondern eine Freundin, Mitarbeiterin …
    Hastig, mit nervösen, fliegenden Händen riß er einen Pappkarton unter seinem Bett hervor, nahm einen Schreibblock und einen Bleistift heraus, legte den Block auf die Knie und begann zu schreiben:
    »Dr. Kukill, ich habe Ihren Brief erhalten. Es dürfte Sie kaum interessieren, wie sehr mich Ihr wehleidiges Stottern angeekelt hat. Ich sage es Ihnen trotzdem. Ich sage es Ihnen vor allem, um endgültig klarzustellen, was ich glaubte, zwischen den Zeilen Ihres Briefes herauszulesen: Sie empfinden ein gewisses Gefühl der Schuld. Aber das ist zu wenig, Herr Dr. Kukill. Ich kann mir vorstellen, daß Sie sich darüber keine grauen Haare werden wachsen lassen; wie ich Sie kenne, liegt es Ihnen fern, sich je über das Leid Ihrer Mitmenschen, das Sie verursacht haben, Gedanken zu machen. Wenn ich könnte – und gebe Gott, daß es mir einmal möglich sein wird –, würde ich Ihnen jetzt und immer wieder ins Gesicht schlagen und so laut brüllen, daß Sie es hören müßten: Sie sind schuld! Sie sind schuld! Sie sind schuld, daß ich hier bin, Sie sind schuld, daß Julia tot ist, Sie sind schuld! Julia ist tot – und das haben Sie … das haben Sie … Sie sind schuld! Julia ist tot – tot!«
    Er ließ den Bleistift kraftlos auf das Papier fallen. Mit trockenen, heißen Augen stierte er auf den Boden vor sich, lange Minuten, ohne sich zu rühren. Er dachte: Ich möchte weinen. Ich möchte es tun. Aber ich kann es nicht. Mein Gott, wenn ich ihn nur hier hätte! Wenn ich ihn nur hier hätte! Und er sah nicht auf, als die Tür aufging und jemand zu ihm in den kleinen Raum kam.
    Es war Schwanecke.
    »Was is'n eigentlich mit dir los?« fragte er, während er sich auf die Pritsche setzte und Deutschmann prüfend ansah.
    »Nichts. Was machst du hier?« fragte Deutschmann.
    »Ich suche Gesellschaft, Professor, verstehst du? Bevor sie mich köpfen …«
    Deutschmann schwieg, und erst nach und nach drangen Schwaneckes Worte in sein Bewußtsein.
    »Dich – was?« fragte er.
    »Köpfen, habe ich gesagt, Professor. Eins, zwei, drei – der Kopf ist ab, und Schwanecke war einmal.«
    »Du bist verrückt!«
    »Ich nicht, aber die anderen. Die werden mir schon einen Strick drehen, darauf kannst du dich verlassen. Zuerst stecken sie mich hier 'rein ins Strafbataillon und sagen: Bewähre dich, mein Junge, wenn du genug Russen totmachst, biste wieder 'n feiner Maxe. Aber dann kam die blödsinnige Geschichte mit diesem Idioten …«
    »Bevern?«
    »Na klar.«
    »Aber du hast ihn doch nicht umgelegt, und sie können dir ja gar nichts beweisen!«
    »Vielleicht hab' ich ihn doch umgelegt …« Schwanecke grinste breit.
    Deutschmann wich zurück. Erschrocken starrte er auf den Sitzenden, der ihn verschlagen blinzelnd von unten her anstarrte. »Du – du hast ihn …?«
    »Ach wo, nichts habe ich. Aber die Sache ist so, verstehst du: Wenn sie einmal einen in der Mache haben, dann kommt er nicht davon. Der Verdacht genügt. Und mit so einem Verdacht ist es eine verdammte Sache. Paß gut auf: Der erste sagt – der war mit ihm allein im Graben. Der zweite sagt – der hätte ihn aber gut umlegen können. Und der dritte sagt – der hat ihn umgelegt! und der vierte sagt – klar, es gibt nichts anderes, das ist mal todsicher. Kein anderer konnte Bevern umlegen als Schwanecke! Und das kommt dann zu dem ganzen Re… Re… – na, wie heißt das schon?«
    »Vorstrafenregister«, sagte Deutschmann.
    »Genau. Und das ist bei mir nicht von Pappe, sage ich dir. Klar, daß nicht jedermann glaubt, ich hätte ihn wirklich umgebracht. Schade, daß ich es nicht getan habe …!«
    »Vielleicht hast du es doch?«
    »Ach wo. Jetzt geht's mir an den Kragen. Nix Bewährung! Ein Volksschädling! Fallbeil! Sssss – Rübe ab. Das deutsche Volk kann erleichtert aufatmen. Schwanecke ist nicht mehr. Verstehst du …«
    »Das ist ja furchtbar«, sagte Deutschmann leise.
    »Furchtbar? Ach wo. Wenn so viele Leute ins Gras beißen müssen … Und jetzt muß ich dir etwas sagen, was ich noch keinem Menschen gesagt habe: Vielleicht haben die sogar recht. Ich meine … verstehst du … ich meine, ich war wirklich ein Schwein. Ich kannte nichts. Hab' ich ein Mädchen

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