Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Strafbataillon 999

Strafbataillon 999

Titel: Strafbataillon 999 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
geworden, in sich gekehrt und sehr nachdenklich. Die Front kam wieder näher, er dachte an die Partisanen, durch deren Gebiet sie gleich fahren mußten, an das Grabensystem mit seinen Granatwerferüberfällen, den nächtlichen Feuerstößen, dem Artilleriefeuer. Und er dachte an die undefinierbare Drohung der nahen Zukunft, an die ungreifbare und doch überall gegenwärtige und immer eindringlicher werdende Ahnung einer nahenden Katastrophe.
    Was es war, und woher er dieses Wissen oder diese Ahnung des Unheils hatte, wußte Krüll nicht. Es war zu ihm gekommen, genauso wie es zu den anderen gekommen war, leise, schleichend, eindringlich.
    Als er so an der Hauswand stand und gegen das kalte Holz lehnte, kümmerte er sich nicht um Schwanecke, der neben ihm stand, und es wäre ihm wahrscheinlich auch gleichgültig gewesen, wenn nach und nach eine Kompanie Landser an ihm vorbeigegangen wäre, ohne ihn zu grüßen.
    Schließlich kam Oberleutnant Obermeier. Unter der Fellmütze hatte er einen Schal um den Kopf gebunden und sah aus wie ein Zahnkranker, der seine geschwollene Backe schützte.
    »Alles klar, Oberfeldwebel?«
    »Jawohl, Herr Oberleutnant!«
    »Wir nehmen auch Deutschmann mit. Er muß gleich kommen.«
    »Was macht er denn noch?« fragte Schwanecke respektlos.
    »Dr. Hansen muß ihm noch einiges Material zusammenpacken«, antwortete Obermeier, aber dann schien er sich plötzlich zu erinnern, wer es gefragt hatte und wie – wollte aufbrausen – und unterließ es. Schweigend und nachdenklich betrachtete er Schwanecke, der seinen Blick mit einer dumpfen Gleichgültigkeit erwiderte.
    »Schwanecke …«
    »Ich weiß, Herr Oberleutnant. Sie brauchen es gar nicht zu sagen: Bei Fluchtversuch wird sofort geschossen. Habe ich jetzt schon hundertmal gehört. Es hängt mir zum Hals heraus!«
    »Vergessen Sie es nur nicht. Sie werden übermorgen nach Orscha überstellt.«
    »Warum denn?«
    »Sie wissen Bescheid.«
    »Wenn's sein muß …«
    Ein Schlitten mit zwei Panjepferdchen kam die Dorfstraße herunter und hielt vor der Scheune an. Ein Landser, vermummt wie ein Nordpolfahrer, unkenntlich wie ein Wesen von einem anderen Stern, hockte auf dem Bock. Er legte lässig die Hand an die Fellmütze, die er einem russischen Muschik abgenommen hatte und statt der Feldmütze trug. Jetzt kam von der Lazarettbaracke her auch Deutschmann, langsam, wie schlafwandlerisch, nach vorn gebeugt, mit stillen, leeren Augen.
    Obermeier musterte ihn kurz und fragte sich heute schon zum zweitenmal, was diesem Mann geschehen war, daß er sich so verwandelt hatte. Deutschmann war ja nie laut und gesprächig gewesen, doch hatte er sich allem Anschein nach an die Uniform gewöhnt und auch an die Einheit, in der er dienen mußte. Von ihm ging eine stille, gelassene Ruhe aus, die Einsicht eines Mannes, der sich mit den Gegebenheiten abgefunden hatte. Seit heute morgen aber, als er, Obermeier, ihm den Brief aus Deutschland gegeben hatte, war es damit vorbei: Es schien, als wäre alles Leben von Deutschmann gewichen und als bewege sich hier ein lebender Toter nur noch unter dem Zwang äußerlicher Einflüsse, der wie ein Automat sprach und auf Fragen antwortete, ohne wirklich dabeizusein.
    Krüll stieg als erster ein. Er zog Schwanecke hinter sich her und postierte sich neben ihm, so daß er jede seiner Bewegungen sehen konnte. Deutschmann beachtete er nicht.
    Stabsarzt Dr. Bergen kam aus seiner Baracke gelaufen und rief Obermeier zu:
    »Jetzt gerade rief Wernher an. Bei Witebsk ist der Russe auf einer Breite von über dreißig Kilometern durchgebrochen. Er nimmt an, daß der nächste Stoß hier bei uns erfolgen wird.« Er stockte und trat dann ganz nahe an Obermeier heran: »Wenn wir uns nicht mehr sehen sollten, nehmen Sie mit auf den Weg: Sie sind einer der letzten anständigen Kerle hier, und ich – ich …« Er wandte sich schroff ab und eilte durch den Schnee zurück in die Operationsbaracke. Obermeier sah hinter ihm her, schüttelte den Kopf, ging zum Schlitten und setzte sich neben Krüll.
    »Abfahren!«
    Krüll blickte ihn erschrocken an.
    »Der Russe ist durchgebrochen?«
    »Es scheint so.«
    »Und jetzt – bei uns?«
    »Wahrscheinlich.«
    Krüll schluckte. »Was sollen wir nur machen, wenn es hier losgeht, Herr Oberleutnant? Wir haben doch nichts. Für die ganze Kompanie nur drei MGs, vier Maschinenpistolen, zehn Karabiner, fünf Pistolen. Das ist alles. Damit können wir den Russen doch nicht aufhalten!«
    »Sie haben wieder einmal recht,

Weitere Kostenlose Bücher