Strafbataillon 999
weg. »Nun gut«, sagte er leise, »nun gut … es tut mir leid … wir haben uns trotz allem sehr gut verstanden … ich mag Sie sehr gut leiden, Obermeier …«, seine Gestalt straffte sich, und er lächelte Obermeier an: »Wir wollen nicht sentimental werden. Ich werde Ihnen den Befehl, daß Sie hierbleiben müssen, nicht geben …«
Zu gleicher Zeit, als Barth mit Obermeier in Barssdowka über den bevorstehenden Einsatz der zweiten Kompanie sprach, bemühte sich Dr. Kukill in Berlin seit vier Stunden, eine Verbindung mit Orscha zu erreichen.
Er stand in der Heeresvermittlung neben einer Steckvermittlung, begleitet von einem SS-Gruppenführer, einem sehr guten Bekannten, dem er vor kurzem aus großer Verlegenheit geholfen hatte.
»Es muß doch möglich sein, Orscha zu erreichen!« sagte der Gruppenführer zu dem Soldaten an der Vermittlung. »Ich war zwar nie dort, aber dieses Kaff hat doch eine ziemlich große Bedeutung an unserer Front.« Und dann zu Dr. Kukill, der unruhig eine Zigarette nach der anderen rauchte und mit kurzen nervösen Schritten in dem Raum mit seinen vielen summenden Geräten herumlief: »Es wird schon klappen, Herr Doktor! Alles braucht eben seine Zeit. Bedenken Sie, welche Stellen wir in die Leitung einschalten müssen, um die Sprechbrücke zu erreichen. Wir schaffen es, Doktor, keine Bange!« Gutmütig stieß er den zusammenzuckenden Arzt gegen die Rippen.
»Ich hoffe, es wird nicht zu spät sein!« murmelte Kukill unruhig, und auf seiner Stirn bildeten sich Falten. Er setzte sich neben den Obergefreiten, der an der Steckvermittlung saß und angestrengt in seine Kopfhörer lauschte. »Vier Stunden dauert das schon. Ich muß wissen, ich muß wissen, wie die Dosierung ist … wir haben keine Zeit zu Experimenten …«
»Ach du liebe Zeit – so kenne ich Sie ja gar nicht, Doktor!«
»Orscha …!« sagte der Obergefreite. Kukill fuhr herum. »Geben Sie her!«
Aber der Obergefreite winkte ab. »Sie stecken weiter um – nach Babinitschi oder so ähnlich – Barssdowka. Wir müssen Geduld haben.«
»Herrgott – Geduld – Geduld – das sagen Sie schon die ganze Zeit!«
»Wenn wir Orscha erreicht haben, ist das andere halb so schlimm. Sie sehen, es klappt bei unserer Organisation!« sprach der Gruppenführer beschwichtigend.
»Da sind vier oder fünf andere in der Leitung«, sagte der Obergefreite nervös. Der verrückte Zivilist und das hohe SS-Tier gingen ihm auf die Nerven. Nun hockten sie schon seit geschlagenen vier Stunden hier und trampelten auf seiner Geduld herum, wegen diesem blödsinnigen Kaff Orscha … Der Teufel soll sie holen! Er sagte: »Irgend jemand meldet sich … aber es quatschen immerzu andere dazwischen!« Er rückte den Trichter näher an den Mund und brüllte hinein: »Hallo – hallo –! Hallo – Orscha! Hallo – Divisionsvermittlung Orscha! Trennen Sie die Störsprecher! Wichtige Durchsage aus Berlin. Geben Sie Babinitschi – Barssdowka – Hauptmann Barth. Trennen Sie …«
Dr. Kukill wischte sich über die Stirn. Sie war klebrig und weiß. Der Gruppenführer zündete sich eine Zigarette an.
Sie warteten.
Und dann sagte der Obergefreite:
»Bataillon 999? Hauptmann Barth? Hallo – ist dort Hauptmann Barth? Ist dort Barssdowka – Hauptmann Barth?« Er sah zu Kukill auf und nickte heftig. Dieser riß den zweiten Hörer an sich.
»Wer ist dort? Hauptmann Barth? Der Kommandeur? Hier ist Berlin, hier ist Berlin, hallo, Hauptmann Barth!«
In Barssdowka saß Hauptmann Barth am Telefon und preßte den Hörer des Feldfernsprechers an das Ohr.
»Berlin«, schrie er. »Wer macht hier faule Witze? Welcher Idiot ist in der Leitung? Hier ist Hauptmann Barth. Ist dort die Divisionsvermittlung, hallo – Divisionsvermittlung –!«
»Hier Dr. Kukill! Berlin!« rief in Berlin Dr. Kukill in den Apparat. »Holen Sie bitte Herrn Dr. Deutschmann an den Apparat, verstehen Sie – Dr. Deutschmann! Dr. Deutschmann! Zweite Kompanie!«
»Deutschmann?« Hauptmann Barth sah Obermeier verblüfft an. »Ist die Welt verrückt geworden? Hier wird ein Dr. Deutschmann aus Berlin verlangt. Unser Deutschmann – ich werd' verrückt!« Er preßte den Hörer ans Ohr und schrie in die Muschel: »Jawohl – Ich lasse den Schützen Deutschmann holen! Warten Sie fünf Minuten.«
Draußen, vor dem Haus, über die Straße hinweg, die Krülls Schneeschippkommando freischaufelte, gellten die Rufe: »Deutschmann zum Kommandeur! Deutschmann sofort zum Kommandeur!«
Der Ruf pflanzte sich
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