Strafbataillon 999
zusammengepackt? Wart mal, ich helf dir. Ja, Mensch, wenn's so ist …«
Willenlos, wie eine aufgezogene Puppe, ließ sich Deutschmann von Schwanecke wegführen. »So 'ne Sache, so 'ne verfluchte Sache!« murmelte Schwanecke, und in seiner heiseren Stimme schwang Mitgefühl für diesen großen, dünnen Mann, der an seiner Seite stolperte und den er, weiß der Teufel warum, verflucht gern leiden mochte.
In der ersten Abenddämmerung rückte die 2. Kompanie zur HKL ab. Es war noch Nachmittag, doch der graue Schleier der kommenden Nacht legte sich schon über die weiße, weite Ebene, mit dem dunklen Streifen des Waldes am Horizont.
Auch Oberfeldwebel Krüll war dabei – als Kompanietruppführer. Er wußte, wohin es ging, aber er dachte nicht daran. Warum auch? Es half nichts. Es half alles nichts. Jetzt war es soweit, und kein Mensch konnte etwas dagegen unternehmen. So trottete er mißmutig vor seinem Haufen her wie ein Ochse zum Schlachthof.
An diesem Nachmittag sah Tanja, wie eine Reihe deutscher Soldaten in weißen Tarnanzügen aus Barssdowka wegzog und bald danach in der Ebene untertauchte, in der Richtung gegen den Wald von Gorki. Sie ahnte nicht, daß unter ihnen auch Deutschmann war …
Er ging als einer der letzten aus dem Dorf, zwei schwere Verbandstaschen über die Schulter gehängt.
Wiedeck stapfte vor ihm, ein blankgeputztes MG 42 in der Hand.
»Wie in alten Zeiten«, sagte er über die Schulter weg nach hinten. »Ich hab' zwar was gegen die Sache, die wir erledigen müssen, aber nichts gegen die Spritze da. Und wenn du mich fragst, dann lieber mit so 'ner Spritze durch das Land ziehen, auch wenn's von den Rußkis wimmelt, als das sture Schanzen.«
»In fünf, sechs Stunden sprechen wir uns wieder«, brummte Schwanecke, der vor ihm ging, mit einer Maschinenpistole über der Schulter, Handgranaten hinter dem Koppel.
Aber Wiedeck hörte nicht hin. »Mensch, Ernst«, sagte er, »wenn die Sache klappt, dann ist's vorbei mit diesem Scheißhaufen. Glaubst du, daß es mir gegen den Strich geht, hier zu dienen?«
»Wem geht es nicht?« fragte Schwanecke spöttisch.
»Ich kann dich verstehen«, sagte Deutschmann, um überhaupt etwas zu sagen. Er ging wie durch einen durchsichtigen, merkwürdig klaren Nebel, in dem alles, was um ihn herum geschah, seltsam deutlich, doch auch zugleich unwirklich und fern war. Er zwang sich, nicht an Julia zu denken. Er zwang sich, Wiedeck zuzuhören und ihn zu verstehen. Ja, er konnte ihn verstehen: Wie es auch war, ein Strafbataillon war die Einheit für Menschen, die sich gegen das Gesetz vergangen hatten. So sah er es jedenfalls, Wiedeck. Und was konnte für einen rechtschaffenen, ehrlichen Bauern schlimmer sein, als zu den Menschen gezählt zu werden, die sich gegen das Gesetz vergangen hatten? Seine Kinder sollten nie sagen: Mein Vater, der Verbrecher … Welche Qual mußte das für ihn bedeuten! Wie konnte er noch seine Kinder Ehrlichkeit unter allen Umständen lehren, wenn er selbst …? Daß es hier vor allem Menschen gab, die keine Kriminellen waren – wer wußte das schon? Aber es gab auch solche wie Schwanecke, die zu Recht bestraft wurden, auch wenn Schwanecke ein toller Bursche war, auf den man sich verlassen konnte. Gaben er und ihm ähnliche nicht den Ausschlag? Eine seltsame, unverständliche Welt!
»Wenn es klappt …«, träumte Wiedeck weiter, »dann kommen wir zurück zu unseren Einheiten und …«
»Und du glaubst das?« fragte Schwanecke spöttisch.
»Warum sollte ich nicht? Glaubst du, daß Obermeier lügt?«
»Nein, er nicht«, sagte Schwanecke. »Aber was kann schon Obermeier gegen die anderen ausrichten?«
»Er hätte es nicht gesagt, wenn es nicht wahr wäre!« sagte Wiedeck mit Überzeugung. Wenn ein Offizier wie Obermeier bewußt lügen würde, dann – ja, dann … woran konnte man dann noch glauben? Das konnte nicht sein! Wiedeck glaubte es, er glaubte, daß alles gut ausgehen würde, er glaubte, daß er zurückkommen würde und daß er dann wieder frei sein würde. Frei … Er würde Urlaub bekommen und nach Hause fahren, plötzlich vor der Tür stehen … mit Schulterklappen und Auszeichnungen … wie sah wohl der Kleine aus? Und er wiederholte bei sich Obermeiers Worte, als sie auf der Straße vor der Schreibstube angetreten waren, kurz bevor sie abrückten.
»Männer«, hatte Obermeier gesagt, als er aus der Schreibstube gekommen war, einer von ihnen, genauso aussehend wie sie alle, im weißen Tarnanzug, mit einer umgehängten
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