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Strafbataillon 999

Strafbataillon 999

Titel: Strafbataillon 999 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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sich lieber mit ihnen zusammenschießen ließen, als vor der Front zu flüchten. In einer dieser Hütten wohnte auch die alte Marfa, eine Frau von über 70 Jahren, die von der Milch und der Butter einer Ziege lebte und fast den ganzen Tag über durch das kleine, halb blinde Fenster die deutschen Soldaten und die vorbeirasselnden Nachschubkolonnen anstarrte. Nachts dann, wenn es ruhiger wurde, kamen durch den Hintereingang ab und zu dickvermummte Gestalten zu ihr, wärmten sich und verschwanden wieder, huschenden Schatten gleich, genauso leise, wie sie gekommen waren: die als Bauern verkleideten Partisanen, die durch die deutsche Front hindurchsickerten.
    In einer dieser stillen, weißen, frostklirrenden Nächte kam Tanja zu der alten Marfa.
    »Ach, du bist es, Tanjascha«, sagte die Alte und blinzelte das Mädchen mit ihren schwimmenden, farblosen Augen an. »Du bist es! Du warst schon eine ganze Weile nicht hier.«
    »Wie geht es dir?«
    »Gut, gut, Töchterchen.« Die Alte strich sich mit knorrigen, durch Gicht gekrümmten Fingern über das alte, geflickte Kleid. »Was machst du hier?«
    »Ich möchte bei dir bleiben.«
    Die alte Marfa nickte. Sie sprach nicht weiter darüber, und während Tanja ins Haus ging und sich auf dem Heuboden ein Lager zurechtmachte, setzte sich die Alte wieder vor das Feuer und starrte versunken in die flackernden Flammen.
    Tanja war beinahe glücklich. Von einer Luke des Heubodens konnte sie hinüber nach Barssdowka sehen. Dort war Michael, dort lebte jener fremde Mensch, der ihr so vertraut geworden war wie keiner vor ihm, dem sie gehörte und dem sie folgen wollte, wohin er sie auch führen würde. Vielleicht würde sie ihn sehen. Vielleicht auch konnte sie ihn sprechen. Sie dachte daran, was sie ihm sagen wollte, wenn sie ihn fand, sie wollte ihm erzählen, wie die Welt plötzlich einsam war ohne ihn, wie sie auf ihn gewartet, und wie sie sich entschlossen hatte, hierherzukommen, um in seiner Nähe zu sein. Und sie würde ihm sagen, daß sie sich entschlossen hatte, alles hinter sich zu lassen, was ihr lieb und teuer war, um mit ihm sein zu können …
    Hauptmann Barth war überraschend in Barssdowka eingetroffen. Für Oberleutnant Obermeier kam er nicht unerwartet, denn Wernher hatte ihn von Babinitschi aus angekündigt.
    Ohne sich um den verblüfften, stramm grüßenden Krüll zu kümmern, ging der Hauptmann in Obermeiers Unterkunft. Hier lagen auf einem ramponierten, roh zusammengezimmerten Tisch die Meßtischblätter des Schanzsektors der zweiten Kompanie, die durchzogen waren mit grünen, roten und gelben Strichen.
    »Schieben Sie den ganzen Kram beiseite«, sagte Barth, nachdem sich die beiden Offiziere begrüßt und die Hände geschüttelt hatten. »Sie brauchen das Zeug nicht mehr. Wenigstens vorläufig nicht.«
    »Sie meinen …?«
    »Ganz recht. Es ist soweit. Heute nachmittag geht's los. Gestern abend hat mich der General höchst persönlich angerufen, um mir die Sache noch einmal zu erzählen. Den Herren scheint es sehr wichtig zu sein.«
    »Und wir sind also endgültig dazu auserkoren, das Unternehmen durchzuführen?«
    »Jawohl. Welch eine Ehre, was?«
    »Na, ich weiß nicht …«
    Hauptmann Barth holte aus der Kartentasche eine Karte der Umgebung von Gorki und breitete sie auf dem Tisch aus.
    »Sehen Sie, ungefähr hier verläuft die Front. Da ist die russische Linie und – dahinter sind höchstwahrscheinlich große Panzerverbände aufgefahren und liegen in Bereitstellungsräumen. Nur ist alles unheimlich still, im Gegensatz zu Witebsk, wo der Teufel los ist. Aber der Generalstab meint, daß hier bei uns mit größter Wahrscheinlichkeit eine neue russische Großoffensive anlaufen wird. Mit der Flugzeugaufklärung ist es nicht weit her, der Himmel ist zu verhangen – und sie wissen ja, daß die Russen Meister der Tarnung sind.«
    »Und ob ich das weiß!«
    »Die einzige Möglichkeit, die Lage zu erkunden – ist ein großangelegtes Spähtruppunternehmen. Und jetzt wird's kritisch. Unsere HKL ist ziemlich dünn besetzt. Alle vorhandenen Truppen werden für das Auffangen der ersten sowjetischen Angriffe gebraucht. Was dann kommt, wenn die Truppen verbraucht sind, wissen wir nicht. Die Armee hat auch keine nennenswerten Reserven. Kurz und gut, man kann keinen einzigen Mann der regulären Truppen aus der Front nehmen und zu dem Spähtruppunternehmen schicken. So kommt man auf die Idee, uns zu – verwerten …«
    »Wie sinnig!« sagte Obermeier.
    »Nicht wahr? Wir haben

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