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Strafbataillon 999

Strafbataillon 999

Titel: Strafbataillon 999 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Möglichkeiten. Wir biegen es so hin, daß du aus'm Staunen nicht herauskommst, so wahr ich Karl Schwanecke heiße! Oder glaubst du, Schwanecke hat Lust, für Führer, Volk und Vaterland den Heldentod zu sterben?«
    Julia Deutschmann arbeitete fieberhaft, schnell, doch nicht überstürzt. Sie zwang sich, mit all ihren Gedanken bei der Arbeit zu bleiben; allein so würde es ihr möglich sein, in kürzester Zeit Ernsts monatelange Arbeit zu wiederholen.
    So lebte sie gleichsam wie ein Deserteur hinter der Front: Angespannt, gejagt von der allzu schnell und doch so fürchterlich langsam verrinnenden Zeit, von Gedanken an ständig lauernde Gefahr gepeinigt, angstvoll auf das Unausbleibliche wartend und zugleich hoffend, es würde nicht eintreten. Sie arbeitete Nächte hindurch und schlief am Tage, und zuletzt gab es für sie keine Tage und Nächte mehr: Sie arbeitete, bis ihre Gedanken vor Müdigkeit zerflatterten und ihr Kopf auf die Schreibtischplatte sank. Sie aß hastig, ohne zu achten, was sie aß, wenn das Gefühl des Hungers zu stark wurde, um es weiter zu ertragen. Und an einem Abend, während sie eine trockene, dünne Brotschnitte mit Margarine bestrich, mitten im Krieg, in einer vom Grauen gepeitschten Welt, in einer dunklen, verzweifelten Stadt, wurde ihr klar, was es bedeutete, bescheiden und ehrfürchtig zu sein und sich einer großen Aufgabe hinzugeben, die scheinbar nicht zu bewältigen war.
    Während sie langsam an dem abscheulich schmeckenden Margarinebrot kaute und einen dünnen Pfefferminztee trank, kam eine große Ruhe über sie.
    Als sie das Geschirr wegräumte, begannen die Sirenen zu heulen. Vorwarnung. Und schon einige Minuten darauf Fliegeralarm.
    Mutterseelenallein saß sie im Keller ihres Hauses, in einem Inferno von Abschüssen und Bombenexplosionen, zitternder Wände und stauberfüllter, trockener Luft, die ihr den Atem abschnürte und sie zum Husten zwang. Doch auch jetzt noch blieb sie ruhig, als hätte sie von irgend wem, der stärker war als die Bomben, die Zusicherung erhalten, ihr würde nichts geschehen. Sie betete, stumm, mit kaum sichtbar sich bewegenden Lippen, die Hände im Schoß gefaltet, reglos, steif aufgerichtet.

Sie kam davon. In der Nachbarschaft wurden einige Häuser zerstört, in den Zimmern ihrer Wohnung flackerte rötlich der Widerschein naher Brände. Sie schloß die Fenster und zog die Verdunkelungsvorhänge herab. Einige Scheiben waren zertrümmert.
    Als sie die Scherben zusammenfegte, klingelte das Telefon.
    Sie richtete sich auf, fragend, als verstünde sie nicht, was das schrille, scharfe Läuten bedeutete.
    Dann hob sie den Hörer ab.
    Am anderen Ende meldete sich Dr. Kukill.
    »Ich wollte nur fragen, ob bei Ihnen alles in Ordnung ist?« fragte Dr. Kukill. Seine Stimme klang atemlos, abgehackt und etwas unsicher.
    »Warum wollen Sie das wissen?« fragte Julia. Und sie überraschte sich dabei, daß ihr seine Stimme fast wohltat: Es war einfach eine menschliche Stimme, die zu ihr sprach, in dieser gespenstigen, durch einen rötlichen Feuerschein und entferntes Prasseln erfüllten Stille. Egal, wem sie gehörte. Und erst nach und nach wurde ihr bewußt, daß der Mann sprach, der ihr Glück zerstört hatte, durch dessen Schuld sie in diesen alptraumähnlichen Zustand geworfen wurde, in dem sie wie in einer ewigen Nacht ohne Aussicht auf Licht leben mußte.
    »Nach diesem Angriff – nun, ich bin froh, daß Ihnen nichts passiert ist, Kollegin.« Jetzt schlug er wieder seinen leichten plaudernden Ton an, an dem das Verwunderlichste war, daß er ihn auch ihr gegenüber so leicht anwenden konnte, als spräche er mit irgendeinem beliebigen Bekannten. »Ist Ihr Haus ganz geblieben?«
    »Ja, nur einige Scheiben sind kaputt.«
    »Das kann man verschmerzen. Ich schicke Ihnen morgen einen Mann, der neue einsetzen wird. Aber ich glaube doch, es wäre besser, wenn Sie bei einem Fliegeralarm in einen sicheren Luftschutzbunker gingen.«
    »Mir passiert schon nichts.«
    »Darf ich morgen nach Ihnen sehen?«
    »Ich weiß nicht, welchen Sinn es hätte.«
    »Darf ich?«
    »Bitte nicht, ich bin sehr beschäftigt.«
    »Was tun Sie? Etwa …?«
    Stille.
    »Ganz recht. Ich habe es Ihnen ja gesagt.«
    Und dann beschwörend: »Machen Sie keine Dummheiten, tun Sie nichts Unüberlegtes. Sie wissen, wie gefährlich das ist, wie könnte ich Sie nur davon abhalten?«
    »Es hätte keinen Zweck, mich davon abhalten zu wollen.« Sie lächelte abwesend. Dieses Gespräch war unwirklich, widersinnig

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