Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Strafbataillon 999

Strafbataillon 999

Titel: Strafbataillon 999 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
einen Vorschlag. Ich brauche einen Hilfssani, verstehst du? Dann bist du die Brüder los, Krüll und so weiter, keiner kann dir was, und wir machen uns hier eine schöne Zeit.«
    »Wie willst du denn das machen?« fragte Deutschmann zögernd. Diese Idee erschien ihm absurd, unwahrscheinlich. Er, Dr. Ernst Deutschmann, Privatdozent – ein Hilfssani! Sozusagen der letzte Dreck im Sanitätskorps! Dabei wäre er nach einem Jahr mindestens Stabsarzt, wenn er nicht im Strafbataillon wäre. Andererseits – warum eigentlich nicht? Wenn man beim Militär ein Klavier tragen mußte, dann suchte der Spieß Musiker aus; wenn die Unteroffiziere ihre Buden geschrubbt haben wollten, dann beauftragten sie damit besonders gute Schwimmer, weil sie ja keine Angst vor Wasser hätten. Und wenn Kronenberg einen Hilfssani brauchte – warum sollte er dann nicht ihn, den Arzt Deutschmann, nehmen?
    »Das überlaß du nur mir!« sagte Kronenberg mit einer großartigen Geste. »Ich habe dir doch gesagt – der Chef und ich – du verstehst?«
    »Und – was hätte ich zu tun?«
    »Ach so, na, jetzt einstweilen noch Pißpötte 'raustragen, Thermometer in den Hintern stecken und so weiter. Du verstehst ja was davon. Und nachher in Rußland – weiß der Teufel! Was halt so kommt. Einverstanden?«
    »Pißpötte?« sagte Deutschmann.
    »Du bist dir wohl zu gut dazu, was? Du kannst ja wieder 'raus! Du bist gesund – Krüll wartet schon auf dich!«
    »Kann ich noch was zu trinken haben?« fragte Deutschmann. Ein kleiner Aufschub. Pißpötte! – dachte er schaudernd. Thermometer in den Hintern, was halt so kommt …
    Aber er hatte sich schon entschieden.
    »Na gut«, sagte er, nachdem er getrunken hatte. »Machen wir.«
    Am nächsten Morgen half er bereits dem Sanitäter Kronenberg beim Fiebermessen und rückte anschließend mit einem Arm voll Nachttöpfen auf die Latrine des Reviers, um sie dort zu leeren und zu spülen. Und im Laufe des Vormittags und Nachmittags sah er mit einiger Besorgnis, daß Kronenberg recht gern sprach, aber weniger gern arbeitete. Im übrigen war er jedoch ganz angenehm, gutmütig, schrie nicht, brüllte nicht, man konnte gut mit ihm auskommen – es war immer noch besser, hier zu sein, als vom ›Krüllschnitt‹ über den Appellplatz gejagt zu werden.
    So wurde beiden gedient. Deutschmann empfand die Ruhe im Revier, die Gesellschaft der Kranken, den Sanitäter Kronenberg und die Nachttöpfe als eine Wohltat nach den Tagen unter Krüll, und Kronenberg hatte einen echten Arzt als Hilfssani, er, der kleine Handwerker aus Westfalen. Einen Mann, der alle Arbeiten machte, zu denen er keine Lust hatte, und der bei Bedarf auch noch mit seinem Wissen einspringen konnte. Ein Idealfall, seltenes Glück – und zugleich doppelte Rückendeckung.
    Am Abend sprach Kronenberg mit Stabsarzt Dr. Bergen. Er rückte mit seinen Problemen in der schiefen Schlachtordnung vor und fühlte erst einmal nach der allgemeinen Lage.
    »Ist die Herzsache vom Zimmer 3 schlimm, Herr Stabsarzt?«
    »Warum?« Dr. Bergen blickte von seinen Notizen auf. Er hatte die pedantische Angewohnheit, über jeden Tag eine Art Rapport zu führen, den keiner las und der in dicken Aktenstößen im Rollschrank verstaubte. »Wieder ein Anfall? Geben Sie ihm Myokarden.«
    »Jawohl.« Kronenberg sah auf die Papiere. Appendizitis Zimmer 4, las er. Überstellung in Reservelazarett Posen 1 zwecks Ektomie. »Da ist noch was, Herr Stabsarzt.«
    »Bitte?«
    »Der Schütze Ernst Deutschmarin ist recht anstellig. Wir brauchen noch einen Mann fürs Revier. Eine Art Hilfskraft. Durch die Arbeitskommandos ist das Revier so belegt, wie Herr Stabsarzt selbst wissen, daß ich allein …« Er stockte und verbesserte sich sofort: »Das heißt, ich schaffe es schon allein. Aber das dauert manchmal zu lange bei dringenden Fällen. Und jetzt überhaupt, wenn wir nach Rußland kommen …« Daß Deutschmann Arzt war, verschwieg er wohlweislich.
    »Ich werde mit dem Kommandeur sprechen. Welche Kompanie?«
    »Die zweite, Herr Stabsarzt.«
    »Gut. Lassen Sie mich jetzt in Ruhe, Kronenberg!« Dr. Bergen beugte sich über seinen Rapport, und Jakob Kronenberg entfernte sich zufrieden mit einem zackigen Gruß und einer krachenden Kehrtwendung – aber nicht bevor er sah, daß Dr. Bergen notierte: Anfordern Schütze Ernst Deutschmann, zweite Kompanie, als Hilfssani.
    »Man muß die Leute zu nehmen verstehen«, sagte Kronenberg später zu Deutschmann. Sie saßen am Fenster, und der Sanitäter weihte

Weitere Kostenlose Bücher