Strafbataillon 999
verwundet, hatte beide Eisernen Kreuze und blieb – garnisonsdienstfähig geschrieben – in Posen, um die Waffen und Geräte des Ersatzbataillons zu übernehmen. Peter Hefe, aus den seligen Gefilden Frankreichs nach Posen gekommen, betrachtete beklommen die Waffen auf den Tischen. Sie blinkten schwach, gut gepflegt, geölt, vorbildlich.
»Bekommen wir keine MGs?«
»Zwei pro Kompanie.« Der WuG lochte die Empfangsbescheinigungen und heftete sie in einem Ordner ab. »Aber nur unter Verschluß. Freigegeben nur im Notfall. Was wollt ihr mit MGs, wenn ihr doch nur an die Front kommt, um den ganzen Mist wegzuräumen, der da 'rumliegt?«
»Also ein besserer Bautrupp?«
»Besser – ist gut!« sagte der WuG gleichgültig. »Die Arbeit, die ihr kriegt, mein Lieber, faßt kein Bautrupp mit der Zange an.«
Peter Hefe und die anderen schwiegen bedrückt. Der WuG war der einzige unter ihnen mit großer Rußlanderfahrung. Auch Krüll hatte die Worte gehört, als er in die Waffenkammer kam, um nachzusehen, wo seine Gruppenführer blieben.
»Und was bekomme ich?« fragte er.
»Eine 08 und 50 Schuß.«
»50 Schuß? Wohl verrückt! Was soll ich mit lächerlichen 50 Schuß?«
»Hör mal zu –«, der WuG schob Krüll die Pistole mit einer Tasche, zwei Magazinen und den Patronenschachteln über den Tisch, »ehe du die 50 Schuß im Ernstfall verfeuerst, fliegst du als Englein schon längst über die Wolken …«
Oberleutnant Obermeier studierte die Marschbefehle. Wernher, der Chef der 1. Kompanie, stand neben ihm.
»Zuerst nach Warschau«, sagte Obermeier, der mit dem Finger vergleichend über die Landkarte fuhr, »dann weiter nach Bialystok und Baranowitschi. In Baranowitschi zwei Tage Aufenthalt und Verladen. Dann weiter nach Minsk und Borissow.«
»Borissow an der Beresina«, sagte Oberleutnant Wernher sinnend. »Am 26.11.1812 überschritt Napoleon die Beresina. In Geschichte war ich schon immer gut.«
»Und am 10.11.1943 das Strafbataillon 999. Du kannst das später einmal in deinen Memoiren als einen Markstein deines Lebens verwenden. Auf Napoleons Spuren …«
»Hoffentlich ergeht es uns nicht so wie ihm«, seufzte Wernher.
Obermeier beugte sich wieder über die Karte und den Zugplan.
»Von Borissow geht es nach Orscha weiter. Dort werden wir endgültig ausgeladen.«
»Hoffentlich kommen wir auch an!«
»Das halte ich für sicher. Entlang der ganzen Strecke sollen in Bunkern bulgarische Truppen als Sicherung liegen. Der Mist beginnt erst hinter Orscha. Dort sickern Sowjets laufend durch unsere Stellungen und verstärken die Partisanen. Um Gorki herum soll ein intaktes, mit allen Waffen ausgerüstetes Bataillon der Partisanen in den Wäldern liegen. Übrigens – hast du eine Ahnung, was für einen geheimnisvollen Auftrag wir dort übernehmen sollen?«
»Keine Ahnung. Barth hüllt sich in Schweigen. Allerdings bezweifle ich, ob er es selber weiß.« Oberleutnant Wernher richtete sich auf und zupfte seinen enganliegenden, eleganten Uniformrock gerade. Er besaß eine Bilderbuch-Reiterfigur. »Die Schrecken zu erfahren, verschieb, solang du kannst«, zitierte er. »Wann sollen wir abrücken?«
»Neuester Befehl: Morgen früh sieben Uhr.« Obermeier lächelte. »Ich würde dir raten, gleich zu deiner Witwe zu reiten. Oder hast du schon Abschied genommen?«
»Halb und halb. Es wird für lange Zeit die letzte Frau sein, die ich sehe«, maulte Wernher. Aber er blieb und machte sogar den Appell seiner 1. Kompanie mit.
Die Angetretenen betrachteten dies als einen endgültigen Beweis, daß es tatsächlich ernst wurde.
Oberfeldwebel Krüll meldete Punkt 20.00 Uhr die angetretene 2. Kompanie. Er hatte seine 08 umgeschnallt, den Stahlhelm auf den dicken Kopf gestülpt und trug eigene Reithosen, die in langen schwarzglänzenden Stiefeln steckten. Er sah sehr kriegerisch aus.
Die Kompanie stand feldmarschmäßig: mit gepackten Tornistern, gerollten Decken und Zeltplanen. Spaten waren das einzige Gerät, das sie bei sich trugen. Schulterstücke und Kragenspiegel fehlten. Sie waren grau in grau, eine Masse Mensch, die in drei Reihen aufgebaut war und auf das Kommando »Dieeee Augen – links!« die Köpfe mit einem Ruck zur Seite warf.
»2. Kompanie, 24 Unteroffiziere und 157 Mann, angetreten, 6 Mann im Revier, 3 Mann abkommandiert.« Krülls Stimme klang laut über den Platz.
Oberleutnant Obermeier ließ rühren und überblickte seine Kompanie.
Der lange Oberst von Bartlitz im ersten Glied war blaß, sein Gesicht war
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