Strafzeit
doch sehr beliebt – vu allem bei de Fraue!«
»Vielleicht grad deshalb«, mutmaßte seine Mutter.
»Woher wisst ihr denn, dass de Mielke bei de Fraue …?«, fragte Hubertus.
»Ha, Junge, du solltescht halt au emol aktiver in dene ganze Vereine werde. Und nit nur din Beitrag bezahle, aber nie hingehe«, rügte ihn der Vater.
»Ja, Papa«, leierte Hubertus.
»Na klar war der beliebt bei den Frauen«, schaltete sich Martina ein. Sie sprach selbst bei den Großeltern hochdeutsch, auch wenn Hubertus schon oft versucht hatte, ihr den Schwarzwälder Dialekt nahezubringen. »Bei uns in der Klasse waren auch ein paar ganz verrückt nach ihm.«
Hubertus verdrehte die Augen: »Sag bitte nit, dass er auch no was mit ’ner Schülerin g’habt hätt.«
»Nein«, meinte Martina, »das hätte ich wohl mitgekriegt. Also mit mir jedenfalls nicht.«
Ihr Vater warf ihr einen strengen Blick zu. Dieses Thema fand er momentan gar nicht lustig.
Sein Handy klingelte. Obwohl er jahrelang dagegen gewettert hatte, war er nun doch nicht darum herumgekommen, sich selbst eines zuzulegen, nachdem er sich auf einem Klassenausflug bei Hinterzarten im Wald verlaufen und fast nicht mehr hinausgefunden hatte. Als Tonsignal bei eingehenden Anrufen hatte sich Hubertus für Mozarts »Kleine Nachtmusik« entschieden.
Besser ein wenig klassische Musik als gar keine.
Klaus war dran.
»Hör mal, Alter!«, brüllte er in den Hörer. »Auf Klaus Riesle ist eben Verlass: Ich habe gleich heute früh um neun aufgrund meiner Pressekontakte drei Karten für heute Abend in Ravensburg organisiert! Für dich, für diesen Ziegler und für mich! Wir beide werden also zusammen den Aufstieg feiern – und am besten gleichzeitig noch den Fall lösen! Das Benzingeld ist nach unserem Casinogewinn gestern ohnehin ein Klacks!«
Hubertus freute sich einerseits ungeheuer über die Chance, beim möglichen Aufstieg seines Teams dabei zu sein. Dass Ziegler sie allerdings begleiten würde, hielt er angesichts der Umstände für so gut wie ausgeschlossen. Aber er hatte prinzipiell schon jemanden, der die dritte Karte sicher gerne nehmen würde …
»Ich habe schon diesen Ziegler kontaktiert, auch wenn ich dafür vier Leute mit dem gleichen Namen abtelefonieren musste«, dröhnte Klaus durch den Hörer. »Zum Glück habe ich mich erinnert, dass du gesagt hast, er wohne wie Mielke in Pfaffenweiler. Sonst wären viel mehr Anrufe nötig gewesen. Dein Kollege ist aber eine ziemliche Träne, wenn ich das so sagen darf.«
»Du hast schon mit ihm gesprochen?« Hubertus war verdattert und auch peinlich berührt. Schließlich hatte er gewissermaßen Riesle auf Ziegler gehetzt.
Eines musste Hummel aber dem eigentlich passionierten Langschläfer Klaus lassen: Wenn der Journalist an einer Geschichte dran war, konnte ihn nur wenig stoppen.
»Ich war sogar schon bei ihm zu Hause!«, triumphierte Klaus. »Er will tatsächlich so schnell nicht noch einmal in einem Eishockeystadion sitzen. Hat die Sache wohl noch nicht verdaut. Da hätte ich mir das Betteln um die dritte Karte eigentlich ersparen können.«
»Was ist denn nun mit Ziegler?«, fragte Hubertus. Seine Eltern verfolgten das Gespräch aufmerksam und wurden allmählich etwas ungeduldig. Mühevoll erhob er sich von der roten Eckbank, presste seinen Bauch am Küchentisch vorbei und ging in sein Jugendzimmer – wie früher schon, wenn die »Alten« etwas nicht hören sollten. Dabei fiel ihm ein, dass er im Haus der Eltern nur dann nicht Dialekt sprach, wenn er nach draußen telefonierte.
»Isch des net ung’sund mit dem Handy die ganze Zeit am Ohr?«, hörte er seine Mutter noch rufen. »Des sind doch Strahle!«
Hubertus ließ sich auf einem alten ockerfarbenen Sitzsack nieder und musterte die Wände seines Zimmers, das in den letzten Jahrzehnten weitgehend unverändert geblieben war.
Poster von Pink Floyd und Deep Purple an der Wand, eines des VfB Stuttgart mit dem jungen Hansi Müller, aber auch schon eines der SERC-Kufencracks, das spätestens 1980 entstanden sein mochte. Hubertus fiel auf, dass fast alle Spieler einen Schnauzbart trugen.
Er musterte die längst zerkratzten LPs von Cat Stevens und Simon & Garfunkel, die er mittlerweile durch die gleichen Platten in CD-Form ersetzt hatte. Das Cover von »Tea for the Tillerman« stach ihm ins Auge – und er erinnerte sich an die Teestunden mit Elke, an Palästinensertücher und Räucherstäbchen.
Klaus lobte derweil seine ureigene journalistische Kompetenz, seine
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