Strafzeit
Eishockeyspiel über die Veranda durch de eigene verschneite Garte g’rannt sei?«, hakte Winterhalter nach. »In zwei Nummern zu große Schuh? Als mer ihn g’funde habe, hät er nämlich wieder Schuh vu de Größe zweiundvierzig a’g’habt.«
Claudia Mielke machte einen konsternierten Eindruck.
»Frau Mielke.« Müller lehnte sich weit über seinen spartanischen hellbraunen Schreibtisch. »Wer war Freitagabend bei Ihnen, und wieso haben Sie uns belogen?«
»Stehe ich etwa unter dem Verdacht, etwas mit der Ermordung meines Mannes zu tun zu haben?«, fragte Claudia Mielke mit zitternder Stimme.
»Sagen wir mal, es gibt da einen Anfangsverdacht«, antwortete Müller. »Also?«
Claudia Mielke schwieg.
Winterhalter schüttelte den Kopf. Sein Gefühl hatte ihn nicht getrogen.
»Frau Mielke. Jetzt saget Sie doch halt ei’fach, was Sie wisset. Mir glaubet net, dass Sie selbscht Ihren Ma umbrocht hän. Aber i vermut, Sie hän uns nit alles g’sagt, was es zum Sage gibt.«
Er setzte sich wieder an seinen Schreibtisch und versuchte, Frau Mielke in die Augen zu schauen.
Bei den Tieren half das meist.
Claudia Mielke war aber ein besonders störrisches Lebewesen. Sie wich seinem Blick permanent aus.
Müller ging die Befragung noch mal neu an. Und vehementer.
Nun passte es doch ziemlich genau: guter Bulle, böser Bulle.
»Hören Sie gut zu! Nach der Vernehmung seines erweiterten Umfelds wissen wir, dass Ihr Mann ein ziemlich ausschweifendes Leben geführt und sich in der Spielbank Konstanz und im Rotlichtmilieu herumgetrieben hat. Dabei sind wir auf Leute getroffen, denen Ihr Mann noch Geld schuldete. Sehr viel Geld! Hätte er so weitergemacht, hätte er Sie vermutlich um Haus und Hof gebracht.«
»Davon wusste ich nichts, jedenfalls nicht von den Spielschulden«, beteuerte Claudia Mielke.
»Ein entscheidender Ansatzpunkt bei Ermittlungen in einem Mordfall ist das Motiv. Wir kennen bislang nur einen Menschen aus dem Umfeld von Herrn Mielke, der einen guten Grund gehabt hätte, ihn umzubringen.« Müller wurde noch forscher. »Oder ihn umbringen zu lassen?«, ergänzte er mit gefährlichem Unterton.
Winterhalter versuchte nach wie vor vergeblich, Augenkontakt zu Claudia Mielke herzustellen. Stures Ding, dachte er sich.
Sie starrte ausdruckslos zu Boden. Stattdessen fiel sein Blick auf das hinter ihr an der Wand hängende Porträt des baden-württembergischen Landesvaters.
Müller setzte nun wieder nach: »Die Gläubiger Ihres Mannes wollten ihr Geld wiedersehen. Sie hätten allen Grund gehabt, Ihren Mann und seine Familie einzuschüchtern und möglicherweise zu bedrohen. Aber umgebracht hätten sie ihn wohl nicht. Noch nicht. Zunächst hätten sie ihn vermutlich zusammengeschlagen – als Warnung. Erst wenn er dann nicht gezahlt hätte, wäre es kritisch geworden.«
»Isch er denn mol z’sammeg’schlage worde in letschter Zeit?«, fiel Winterhalter ein.
»Aber Sie!«, redete Müller unbeeindruckt weiter. »Ihr Mann hat Sie ruiniert. Ihre Ehe war am Ende. Sie mussten Ihren Mann dafür hassen, was er Ihnen und Ihren Kindern angetan hatte. Nie zu Hause. Nie hat er sich um seine Familie gekümmert. Und dann hat er Ihr gemeinsames Geld noch in Spielhöllen und Bordellen verprasst.«
Immerhin reagierte die Angesprochene nun: »Das ist nicht wahr! Ja, von seinen Frauengeschichten wusste ich. Aber von den Schulden wirklich nichts!«
»Jo, hän Sie denn keinen Einblick in die Konte Ihres Mannes?«, meldete sich Winterhalter zu Wort.
»Erzählen Sie uns doch nichts! Seit mehr als drei Jahren hat Ihr Mann Zigtausende von Euro in Spielbanken verjubelt. Und Sie wollen nie etwas davon erfahren haben?«
Müller war in seinem Element.
Die Vernehmung bekam Verhörcharakter.
»Saget Sie uns halt die Wahrheit. Schlimmer ka’s kaum no komme.«
»Da ist noch etwas, liebe Frau Mielke«, fuhr Müller leise dazwischen, nahm die Brille ab und begann, sie fein säuberlich mit einem karierten Taschentuch zu putzen, das er aus dem Schreibtisch hervorgezogen hatte. »Bei unseren Ermittlungen am gestrigen Abend im Konstanzer Spielcasino sind wir auf einen Spieler getroffen, dem Ihr Mann wohl mehr als fünfzigtausend Euro schuldete. Ihm hatte er vor einer Woche angeblich angeboten, eine auf ihn abgeschlossene Lebensversicherung, die sich auf fünfundsiebzigtausend Euro belief, von der Versicherung zurückkaufen zu lassen. Fünfunddreißigtausend Euro hätte das eingebracht, hatte er dem Gläubiger versichert. Was sagen Sie
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