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Strafzeit

Strafzeit

Titel: Strafzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Ummenhofer , Alexander Rieckhoff
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aus dem Bistro – zog sich blitzschnell an und stürzte unter Flüchen von Hubertus aus dem Haus.
    So hätte er gern mal Doktor Bröse aus der Wohnung gescheucht. Ha!
    Dann widmete sich Hubertus seiner Tochter. Das heißt, er versuchte es, doch die Zeit drängte.
    »Über diese Geschichte reden wir noch, Frollein«, drohte er.
    Er dachte kurz nach und wurde dann zögerlicher – vor allem, weil ihm einfiel, dass er Martina gestern allein gelassen hatte. Aber mit einem Verehrer im Bett der Tochter konnte doch wohl kein Vater rechnen. Oder doch?
    Fünf Minuten später hatte seine Tochter ihm eine Abmachung abgerungen: Sie erzählte ihren Großeltern nichts von Elkes Auszug, und er sah von weiteren Strafen ab.
    Martina musste zudem versprechen, diesen »verpickelten Knaben«, wie er sich ausdrückte, zukünftig weder bei sich übernachten zu lassen noch bei ihm zu übernachten. Mögliche sexuelle Details wollte er sich ersparen.
    Gott sei Dank hatte vor wenigen Jahren Elke die diesbezügliche Aufklärung des Kindes übernommen. Das hätte ihm gerade noch gefehlt.
    Da das Auto immer noch nicht ansprang, blieb abermals nur der Fußweg. Das Thermometer zeigte noch immer zehn Grad unter null, aber es war ein klarer, sonniger, verspäteter Wintertag.
    Der Weg führte über das Hubenloch, »Deutschlands höchstgelegenen Rosenschaugarten«, der auf einem sanften Hügel die Villinger Altstadt überragte. Hummels Eltern wohnten seit ihrer Hochzeit 1956 in dem kleinen Haus in der Goethestraße, wo auch Hubertus aufgewachsen war.
    Immer wenn er dieses Haus betrat, holten ihn die Erinnerungen an damals ein. Eine durchaus typische Kindheit in den Sechzigerjahren: kleinbürgerlichen Ursprungs sicherlich, aber deshalb keineswegs so unglücklich, wie ihm einige Kommilitonen an der Universität das im Nachhinein aus gesellschaftskritischen Gründen immer hatten einreden wollen.
    Existenzielle Not hatten die Hummels nicht gelitten. Dass es für besondere Reichtümer außer dem alten Opel Kapitän, den sein Vater gehegt und gepflegt hatte, nicht reichen würde, war aber allen Familienmitgliedern klar gewesen.
    Hubertus erinnerte sich, in seiner Kindheit viel draußen gewesen zu sein – auf der Straße, was damals noch ohne größere Gefahren möglich war, aber auch in den dichten Wäldern rund um die Stadt. Zunächst mit dem Rad, später dann mit dem Skateboard, irgendwann mit dem Mofa.
    Das Familienleben war überaus traditionell gewesen, ein immer wiederkehrender, fest verankerter Ablauf, wie er heute auch in einer Schwarzwälder Kleinstadt nicht mehr die Regel war. Geprägt war dieser, zumindest von der Mutterseite her, nicht unwesentlich vom katholischen Kirchenjahr und dem Wahrzeichen der Stadt, dem Münster, gewesen. Exministrant Hubertus hatte dagegen in seiner Jugend unter anderem mit langen Haaren kräftig rebellieren müssen.
    Inzwischen wusste er sich über andere Dinge mehr aufzuregen. Über seine Nochehefrau beispielsweise und deren Prinzipienlosigkeit in Sachen Moral.
    Nicht nur die Erinnerungen hielten Hummel beim Eintritt in das Haus gefangen, sondern auch der Dialekt. Hatte er sich seit seiner Studienzeit in Freiburg im Allgemeinen angewöhnt, einigermaßen hochdeutsch zu sprechen, ließ er hier dem Villingerisch freien Lauf.
    Auch im Hause Hummel senior war an diesem Sonntagmittag der Mord an Mielke Hauptthema.
    Fast jedenfalls.
    »Wo isch denn d’Elke?«, erkundigte sich seine Mutter, als er eintraf.
    Und als er im Brustton der Überzeugung »Die isch leider schwer erkältet« antwortete, platzte seinem Vater der Kragen.
    »Ja, Junge, monsch du, mir bekomme des nit mit?«, polterte er. »Ausgezoge isch se. Ich hab se doch letschte Woch mit ’em Doktor Bröse bei de Stadtmusikversammlung g’sehe!«
    Hubertus biss sich auf die Lippen. Hätte er sich eigentlich denken können, dass in dem Kaff nichts geheim blieb.
    »Junge, renkt sich des au wieder ei?«, fragte seine Mutter besorgt.
    »Ja, klar«, beschwichtigte Hubertus, was diese indes nicht beruhigen konnte.
    »Oje, oje. Des tuet de Martina au nit guet.«
    Es war Zeit, wenigstens den Versuch zu machen abzulenken.
    »Ich werd übrigens bald den Mörder vum Kollege Mielke finde«, brüstete sich Hubertus.
    »Was soll jetzt au des wieder? Bub, pass bloß auf dich auf«, meinte Helene Hummel.
    »Ja, Mama«, murmelte Hubertus so gehorsam, wie er es schon vor fünfunddreißig Jahren gemurmelt hatte.
    »De Mielke«, meinte sein Vater. »Wer bringt denn den um? Der war

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