Strafzeit
Recherchefähigkeit und sein Zeichentalent, denn er hatte bei seinem Besuch in Pfaffenweiler nach Zieglers Beschreibungen ein Phantombild des Ravensburger Fans angefertigt, der ihm das mit der Affäre von Mielke und der Frau von Kirk Willy erzählt hatte.
»Wir könnten ja auch Kirk Willy direkt fragen«, schlug Hubertus vor.
»Na prima – am besten, während der Meisterpokal übergeben wird«, konterte Riesle.
»Findet das Spiel nach dem Mord überhaupt statt?«, fragte Hummel sicherheitshalber.
»The games must go on«, behauptete Riesle pathetisch.
»War Ziegler denn schon bei der Polizei und hat denen von Mielkes Affäre erzählt?«
»Ich habe ihm davon abgeraten. Das soll er machen, wenn es mit dem Aufstieg geklappt hat. Wenn die ›Wild Wings‹ heute verlieren und im entscheidenden Spiel am Dienstag deshalb bei Willy die Konzentration weg ist – oder er wegen Mordverdachts verhaftet würde …«
»Klaus«, sagte Hubertus vorwurfsvoll. »Erstens: der SERC, nicht die ›Wild Wings‹. Zweitens: Du hast nicht zufällig vor, diese Sache morgen selbst im Kurier zu thematisieren?«
»Gute Idee. Kommt halt drauf an, wie das Spiel ausgeht«, antwortete Riesle dann mit entwaffnender Ehrlichkeit. »Was machen wir denn jetzt mit der dritten Karte?«
»Warte mal kurz«, sagte Hummel und rief nach seiner Tochter. Die kam aus der Küche getrottet und meinte: »Oma fragt, ob du denn nicht von ihrem Festnetzapparat im Hausgang telefonieren kannst. Das sei sicher gesünder.«
Hummel wischte den Einwand mit einer Handbewegung weg und machte seiner Tochter das verlockende Angebot, mit nach Ravensburg zu kommen. Schließlich war sie ebenfalls ein großer Eishockeyfan. Er musste sich so oder so mehr um sie kümmern. Und ehe sie sich wieder mit dem Pickligen traf …
Umso geschockter war er, als Martina dankend ablehnte.
»Und warum, bitte schön? In dem Spiel könnte mein … ich meine, unser SERC den Aufstieg schaffen. Und das lässt du dir entgehen?«
»Ich kann heute Abend nicht. Und um das noch mal klarzustellen: Ich bin dir auch keine Rechenschaft schuldig«, kam Martina etwaigen unangenehmen Fragen zu »ihrem Privatleben« zuvor.
Hubertus versuchte ihr klarzumachen, dass eine Siebzehnjährige sich durchaus von ihren Eltern Fragen nach ihrem Privatleben gefallen lassen müsse.
Klaus mischte sich am anderen Ende der Leitung ein und erklärte, für solch »typischen Familienkram« keine Telefongebühren zahlen zu wollen. Dann kündigte er an, Hubertus in zwei Stunden abzuholen, weil »wir uns noch in Ravensburg umschauen sollten«.
Zum Schluss des Gespräches hatte er noch Zeit für eine kleine Gehässigkeit. »Sag mal, wissen deine Eltern jetzt eigentlich schon das mit dir und Elke …?«, erkundigte er sich, doch Hubertus drückte den Knopf und unterbrach die Verbindung.
Eine Stunde später befanden sich Vater und Tochter wieder auf dem Heimweg.
»Das war also dein Freund heute morgen«, tastete sich Hubertus wieder an das Thema heran.
»Nein, ich kannte den gar nicht«, antwortete Martina grinsend.
»Pass bloß auf!«
Jetzt murmelte die Tochter wie zuvor Hummel bei seinen Eltern: »Ja, Papa.«
»Ist der nicht deutlich älter als du?«, forschte Hubertus weiter nach.
»Papa, er ist noch keine zweiundzwanzig«, meinte Martina genervt. »Außerdem macht er gerade seinen Zivildienst, das müsste dir doch sympathisch sein.«
Hubertus blieb die Antwort schuldig.
Nicht gerade das optimale Vater-Tochter-Gespräch, dachte er sich, aber immerhin ein guter Anfang.
8. DAS VERHÖR
Hauptkommissar Stefan Müller blickte auf seine Taschenuhr, die ihm sein Großvater mütterlicherseits aus Triberg hinterlassen hatte. Das wertvolle Stück trug er immer bei sich. Schließlich stammte er aus einer alten Uhrmacherfamilie.
Es war schon zehn Minuten nach neun.
Und weil er zu Uhren ein besonderes Verhältnis besaß, hasste er auch Unpünktlichkeit. Für Punkt neun Uhr an diesem Sonntagmorgen hatte er Claudia Mielke aufs Revier bestellt, nachdem sie schon den samstäglichen Termin auf den letzten Drücker hatte platzen lassen.
Er hatte ja Verständnis dafür, dass sich die Ehefrau des Ermordeten um ihre Kinder kümmern musste, aber er wollte in diesem Fall schnell weiterkommen. Und vielleicht würden die Mielke-Kinder ohnehin bald ganz ohne elterliche Betreuung auskommen müssen. Er hatte da so einen Verdacht …
Nach einem kurzen Klopfen öffnete sich die schneeweiße Bürotür.
Seine Sekretärin
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