Strafzeit
schon ein wenig zu alt. Zum Glück!
Die einzige sonstige Möglichkeit für einen Weinkrampf wäre vielleicht gewesen, dass Elke und Dr. Bröse ihre Hochzeit angekündigt hätten. Wobei in einem solchen Fall wohl eher bei Hummel die Tränen geflossen wären.
Ebenso bei einer Schwangerschaft, aber das lag ohnehin jenseits von Hubertus’ Vorstellungsvermögen.
Der Freund also.
»Hat er Schluss gemacht?«, fragte Hummel.
Gott, wie er solche Gespräche hasste.
Martina schüttelte den Kopf und schob die Latte macchiato zur Seite.
»Hast du Schluss gemacht, und jetzt tut es dir leid?«, forschte Hubertus weiter.
»Er hat … Probleme«, meinte Martina schließlich leise.
»Beim Roten Kreuz?«
Seine Tochter sah ihn so an, wie man einen alten Vater eben ansah, der sich überhaupt nicht in einen hineinversetzen konnte.
Dann schüttelte sie wieder den Kopf.
»Mit ein paar so Typen«, meinte sie schließlich tonlos.
»Typen? Was für Typen?«, wollte Hummel wissen.
»Ich kenne die nicht«, flüsterte Martina, die ersichtlich kein größeres Interesse an dem Gespräch hatte. Allerdings war sie wohl in einem so derangierten Zustand, dass sie sich nicht dazu aufraffen konnte, einfach in ihrem Zimmer zu verschwinden.
»Diese Typen haben es also nicht auf dich abgesehen«, stellte Hummel fest und war fast beruhigt, als Martina ihn wieder verständnislos anschaute.
»Wir haben uns gestritten«, erklärte sie nun, stand auf, goss sich ein Glas Mineralwasser ein und setzte sich dann wieder zu ihrem Vater an den Tisch.
»Er ist dann einfach abgehauen. Er wollte zuerst nach Hause und dann später zu einem Treffen, über das er mir partout nichts sagen wollte. Er war ziemlich durcheinander. Ich habe gesagt, dass ich ihn begleiten würde …« Sie schnäuzte sich leise, fast schon kraftlos. »Peter meinte aber, dass es für mich zu gefährlich sei. Er sagte, letztlich könne es sogar um Leben und Tod gehen …«
»Nur gut, dass du hiergeblieben bist, Kleines«, tröstete Hummel.
Allerdings. Das hätte ihm gerade noch gefehlt, dass Martina sich mit irgendwelchen Halbstarken einließ.
»Er war also hier?«, hakte Hubertus nach und überlegte kurz, ob er thematisieren sollte, dass er eigentlich davon ausgegangen war, dass sich dieser Vogel hier gar nicht mehr blicken ließ.
Martina stand wieder auf. Entgegen den Erwartungen ihres Vaters verschwand sie aber immer noch nicht in ihrem Zimmer, sondern ging in den Hausgang und kam mit einer Lederjacke wieder.
»Er war so durcheinander, dass er die sogar hier vergessen hat«, sagte sie. »Über Handy meldet er sich auch nicht …«
Hubertus blickte erst auf die Uhr – noch dreißig Minuten bis zur Verabredung mit Klaus – und dann auf die Jacke, in die Martina ihr Gesicht vergraben hatte.
»Tja, Kleines«, sagte er, ging auf seine Tochter zu und strich ihr über die Haare.
Doch dann nahm er ihr die Jacke aus der Hand, denn ihm war etwas aufgefallen: der blau-weiße Sticker, auf dem keineswegs »Schwenninger Wild Wings« stand, sondern »Blue Heroes – Chapter Lake Constance« …
»Sag mal, Kleines, dein Peter ist doch jetzt vermutlich noch zu Hause?« Hubertus hob Martinas Kinn an und blickte ihr eindringlich in die hellblauen Augen. »Wo wohnt er denn? Ich glaube nämlich, er steckt in ernsthaften Schwierigkeiten. Und rück mal zur Sicherheit noch seine Handynummer heraus.«
Martina schaute ihren Vater jetzt noch verzweifelter an.
18. HIGHWAY TO HELL
Das Telefon klingelte. Claudia Mielke nahm ab. Ein Klaus Simon vom Sozialdienst des Krankenhauses meldete sich.
»Nur wegen der Formalitäten, Frau Mielke. Sie sind die Gattin unseres Patienten Gerber? Haben Sie eigentlich einen Doppelnamen? Mielke-Gerber? Oder Gerber-Mielke?«
Claudia Mielke antwortete nicht darauf. »Wie geht es ihm denn?«, wollte sie stattdessen wissen.
Kurzes Schweigen.
»Gut«, meinte dann die andere Stimme beruhigend. »Also – den Umständen entsprechend. Aber ich bin ja nicht primär für das Medizinische zuständig.« Eine kleine Pause, dann wieder die Frage des Mannes: »Sie sind also die Ehefrau von Herrn Gerber?«
Nun war es an Frau Mielke, kurz zu überlegen: »Na ja«, meinte sie dann zögerlich. »Also, die … Lebensgefährtin.«
»Aha«, meinte Klaus Riesle alias Simon. »Die Lebensgefährtin.«
Claudia Mielke überlegte, ob sie gegenüber diesem Krankenhaus-Sozialpädagogen eher zurückhaltend-kooperativ oder lieber selbstbewusst auftreten sollte.
Sie entschied sich
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