Strange Angels: Verraten: Roman (PAN) (German Edition)
zugeschneiten Heimatstadt war ich diejenige gewesen, die gewusst hatte, was zu tun war, als alles schiefging. Zumindest als der brennende Hund und der gestreifte Werwolf uns umbringen wollten. Ich hatte Graves zu meinem Haus gebracht, und ich hatte die Bücher, die Gewehre und die Erfahrung besessen, so lückenhaft sie auch sein mochte.
Wir blickten einander an. Was zur Hölle machen wir jetzt?, fragte Graves mich stumm.
Ich versuchte nachzudenken. »Was haben wir?« Mein Hals war wund, also klangen die Worte nicht so schwergewichtig wie sonst – eher dünn und hilflos. »Ich meine, an Ausrüstung.«
Denn ich wusste, wie man so eine Nummer durchzog. Es kam weder auf den sechsten Sinn noch die Gabe noch sonst irgendetwas an. Es ging einzig darum, das zu tun, was ich gelernt hatte. Wir befanden uns auf feindlichem Terrain, und wir hatten ein Ziel: nicht zu sterben.
Als Erstes findest du raus, was du hast, hätte Dad mir erklärt. Dann überlegst du, wie du damit erreichst, was du brauchst, denn was du willst, kriegst du sowieso nicht. Du hast, was du hast, mehr nicht.
Wie sich herausstellte, waren das ein Haufen Bargeld, meine Tasche, die Kleidung, die wir trugen, ein paar Klappmesser, der Sauerstoffkanister, ein Verbandskasten, den Dibs bei sich trug, und zwei Schachteln Zigaretten. Shanks lag auf dem Boden und atmete zu flach. Er sah gar nicht gut aus.
Immerhin funktionierte mein Verstand wieder, was ein Glück war. Jeder meiner Muskeln schmerzte höllisch, und die komische Zweidimensionalität der Welt war neu und schrecklich. Mein Kopf schmerzte, aber ich hatte solche Dinge schon oft mit Dad gemacht – er warf mir Szenarien zu und brachte mir bei, wie ich planen musste.
»Wir hatten keine Zeit, zur Waffenkammer zu laufen.« Peter schob sehr vorsichtig sein Klappmesser in die Tasche zurück. »Die kamen viel zu schnell – und auch noch mit der Feuerzehrerin. Mann!«
Wenigstens haben wir Geld. Ich lehnte mich nun ganz gegen den Baum statt an Dibs. Mein linkes Handgelenk war fachmännisch mit einem Druckverband versehen. Ich schloss die Augen, sperrte das Licht aus und atmete tief durch. Komm schon, Dru! Du weißt, wie es geht. »Unsere Optionen sind also, uns auf das Geld zu verlassen und irgendwie bis abends mit den Verwundeten in die Stadt zu kommen oder uns bis morgen bei Andys Familie zu verstecken. Wissen wir überhaupt, wo wir hinkönnen, wenn wir die Stadt erreichen?«
»Shanks weiß es.« Andy setzte sich auf und glotzte mich an, als wäre mir ein zweiter Kopf gewachsen. »Meine Tanten sind okay. Sie würden uns sogar in der Dunklen Zeit verstecken.«
»Vielleicht geraten sie unseretwegen in Schwierigkeiten.« Ich blinzelte und konzentrierte mich angestrengt, was nicht so einfach war, weil die Welt schlicht verkehrt aussah und ein merkwürdiges bebendes Gefühl in meiner Brust aufstieg. Ich brauchte kein Wörterbuch, um zu begreifen, dass es Angst hieß. Und doch war es eine vollkommen neue Sorte von Angst, eine schwankende Hitze, ähnlich einer Magen-Darm-Verstimmung. Nur dass dieses Gefühl genau unter Moms Medaillon saß. Allmählich begriff ich, dass Angst ebenso viele Schattierungen hatte wie eine Farbtafel, auf der jeder Ton ein bisschen anders, aber alle gleich schrecklich aussahen. Ich sah wieder zu Graves. »Das wird dir nicht gefallen.«
»Was?« Er lehnte sich auf der anderen Seite gegen den Baumstamm, an dem ich stand, und sein Haar fiel ihm ins Gesicht. Da war wieder der Goth mit dem blitzenden Silberohrring.
»Mein Dad hat mich für so was ausgebildet. Ich kann in die nächste Stadt laufen und mir einen Wagen besorgen. Sobald ich verschwunden bin, haben sie keinen Grund mehr, euch zu …«
»Nein.« Graves schüttelte den Kopf. »Kommt nicht in Frage!«
»Lass sie ausreden!« Peter hockte neben Shanks. Seine Miene wurde verbittert, als er auf den anderen Jungen hinunterschaute.
»Du hältst die Klappe!«, fuhr Graves ihn an. »Sie jagen uns so oder so, ob du bei uns bist oder nicht, Dru. Kapier’s endlich: Ich lasse dich nicht allein! «
»Wenn Vampire eine ganze Schule voller Leute angreifen, die für den Kampf gegen sie ausgebildet wurden, wie kommst du darauf, dass sie ein Werwolfhaus in Frieden lassen? Und … Sergej … kann hierher unterwegs sein. Sei nicht blöd!« Ich lehnte mich fester an den Baum, obwohl bei der Erwähnung dieses Namens gar kein Schmerzstich durch meinen Kopf schoss. Mehrere der Wölfe hingegen erschauderten.
»Das ist eine richtige
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