Strange Angels: Verraten: Roman (PAN) (German Edition)
stimmte, aber dann schniefte ich wieder und roch das kupfrige getrocknete Blut. Wenn eine Werwolfnase empfindlich genug war, um Nasenbluten wahrzunehmen, bevor es richtig schlimm wurde, dürfte es die eines Loup-garou ebenfalls sein. »Na ja, danke.« Ich versuchte, freundlich zu klingen, und wieder knackte das Eis, worauf mir noch mehr kaltes Wasser in den Ärmel lief.
Klasse!
»Kein Problem, Dru. Wir gehen heute Nacht Hamburger essen. Soll ich dir welche mitbringen?«, fragte er eindeutig hoffnungsvoll.
Mein Brustkorb wurde eng. »Nein.« Wie ich es hasste, ihm den Spaß zu verderben! »Die sind kalt, bis ihr wieder zurück seid. Ich hole mir irgendetwas aus der Cafeteria.«
Den ganzen Weg die Treppe hinunter horchte ich auf sein Schweigen hinter meinem Gestampfe und wollte mich dafür treten, dass ich nicht ja gesagt hatte.
Auf der Jungenseite der Trainingskapelle gab es einen langen Raum mit mehreren steingerahmten Wannen, die in den Boden eingelassen waren. Stellwände trennten die Einzel- und Gruppenwannen voneinander. Soweit ich gehört hatte, befand sich dauernd irgendjemand in einem der Becken.
Auf der Mädchenseite war der Raum genauso groß. Vier der Wannen boten hinreichend Platz, um ein paar Mädchen auf einmal zu ertränken. Insgesamt waren es sechs Badkabinen, in denen die Wannen von Granitboden umgeben waren, der stets blitzsauber gehalten wurde – sah man über die geschwärzten Ecken hinweg, die verrieten, dass es hier drinnen schon sehr lange sehr feucht war. Dagegen konnte auch noch so viel Chlor nichts ausrichten.
Jedenfalls war der Raum warm und dunstig, denn in den Wannen blubberte es ununterbrochen. Und hier hielt sich nie jemand außer mir auf.
Ich rutschte in die Wanne, die am weitesten von der Tür entfernt war. Meine Sachen lagen auf einem Haufen wenige Schritte vom Wannenrand. Den Eisbeutel hatte ich halbherzig in den funkelnagelneuen Abfalleimer bei den Waschbecken geworfen, wo er teils über den Rand hing, so dass Schmelzwasser auf den Boden tropfte.
Das war mir vollkommen egal.
Das trübe, nicht ganz echte Wasser warf Blasen. Von dem Mineralgeruch bekam man einen dünnen Belag auf der Zunge, und es fühlte sich nicht an wie normales Wasser. Noch dazu war es geleedick. Die ersten paar Sekunden war es so heiß, dass es brannte. Danach bildete es eine Schmierschicht auf der Haut, und die Blasen wurden durchsichtig, aber nicht klar. Diese Bäder beschleunigten den Heilungsprozess wie verrückt. Was absolut sinnvoll war, denn das Kampftraining hier kannte keine Tabus.
Sofern man ein Junge war.
Ich kam mir komisch vor, wie ich da so allein in der Umkleide herumging. Es war, als hätte ich eine Suite für mich, während die Jungs in Sälen zusammengepfercht wurden. Von ihnen hatte keiner leere Bücherregale oder einen CD-Player ganz für sich – oder einen persönlichen Berater, der über jeden Pieps von ihnen wachte. Auch keinen eigenen Computer, auf dem die Internet-Einkaufsseiten bereits markiert waren, und eine Kreditkarte, die auf »Sunrise LLC« lautete und in einem blütenweißen Umschlag daneben auf einem Rosenholzschreibtisch lag, mitsamt einem Infoblatt, das ihnen erklärte, an welches Postfach sie sich liefern lassen sollten, was immer sie haben wollten.
Unheimlich. Dad hatte niemals Kreditkarten benutzt, zumindest nicht seine eigenen. Bei der Jagd war Bargeld das Beste. Aber diese Jungs bildeten den Orden. Er war groß, und es brauchte eine Menge Geld, um ein Haus wie dieses zu unterhalten.
Dennoch schien es mir nicht so riesig, wie es sich bei Christophe angehört hatte. Was noch so etwas war, das mich ins Grübeln brachte. Natürlich klickte ich nie nützliche Websites an, beispielsweise ein GPS, um herauszufinden, wo genau ich mich befand, oder Bezirksverwaltungen, bei denen ich hätte nachsehen können, auf wen das Grundstück eingetragen war – ganz zu schweigen von Zeitungsseiten, die womöglich etwas über Graves’ und mein Verschwinden enthielten. Solche Informationen wären hilfreich gewesen, doch es war zwecklos, Spuren auf einem nicht privaten Rechner zu hinterlassen.
Sprich: Shoppen interessierte mich nicht, und ansonsten war der Computer nicht zu gebrauchen. Für mich war er wie ein stummes Stück Kunststoff.
Mein Stundenplan – Gabenbeherrschung, Geschichte, Mathe, Bürgerkunde – war zwei Tage nach meiner Ankunft an meine Tür geheftet worden, allerdings hatte ich ihn nach dem ersten strunzlangweiligen Tag mit Anfängermist abgerissen,
Weitere Kostenlose Bücher