Strasse der Sterne
der Letzte sein. Allerdings bist du der erste Templer, den ich in dieser Angelegenheit zu Gesicht bekommen habe. Und genau da liegt für mich das Problem.«
»Soll das heißen, ich kann den ... Schatz nicht entdecken, weil ich ein Templer bin?«
»Entdecken ist eine Sache. Ich nehme doch an, du möchtest ihn auch sicher nach Hause bringen?«
Armando nickte. »Wo sollte er besser für die Ewigkeit aufgehoben sein als in Tomar? Es gibt keinen sichereren Ort als unsere Templerburg.«
»Wobei wir schon wieder beim Thema Hochmut angelangt wären. Wozu trägst du diesen Mantel?« Die schlanken Finger des Abtes schnippten gegen den hellen Stoff.
»Um Pilger zu schützen auf ihren gefährlichen Wegen im Heiligen Land und anderswo. Die Templer sind die Streiter Christi. Und bald werde ich für immer einer von ihnen sein.«
»Und dazu brauchst du diesen Umhang?«
»Nein ... aber ich verstehe nicht ganz ...«
»Das scheint mir auch so, junger Freund, deshalb will ich dir einen Rat geben: Vergiss den Mantel, solange du auf deiner Mission bist. Leg deinen Harnisch ab, dein Schwert und trenn dich von deinem Pferd. Wozu jemand unnötigerweise auf dich aufmerksam machen? Im unendlichen Meer verliert sich der einzelne Tropfen.«
»Ich soll kein Templer mehr sein?«
»Ein Fluss passt sich dem Bett an, vergisst aber nie sein Ziel - das Meer. So viele begeben sich auf den Weg des Heils. Der Strom wird immer breiter. Werde einer von ihnen, ein einfacher Pilger unter anderen. Nur so kommst du weiter.«
Der Ton war sehr eindringlich geworden.
»Es gibt so viel Hass und Eifersucht zwischen den Menschen; Könige eifern gegen Könige; Schwarzkutten gegen
Weißkutten, aber was sind wir anderes als Brüder im Herrn? >Ich bin die Liebe<, hat Jesus uns gesagt. Ubi caritas et amor, Deus ibi est.« Er schwieg. »Wir wollen es nicht verstehen, aber das ist die Botschaft. Allein darum geht es.«
Eine ganze Weile blieb es still.
»Und wenn ich nun dies alles täte«, sagte Armando vorsichtig, »wenn ich also deinem Rat folgte, den Mantel und das Schwert ablegte und zu Fuß weiterzöge - wohin sollte ich mich dann wenden?«
»Du bist bereit, vom Hochmut gänzlich abzulassen?«
»Das bin ich.«
Abt Miguel stand auf und umarmte ihn.
»Juan de la Peña«, flüsterte er ihm ins Ohr. »Das uralte Felsenkloster. Allerdings rate ich dir dringend, deine Reise in Santa Cruz de la Serós zu unterbrechen. Dort steht der Konvent, den Königin Urraca einst gegründet hat. Eine der frommsten Frauen, die unser Land jemals hervorgebracht hat.«
»Ein Nonnenkloster?«, sagte Armando ein wenig verächtlich. »Wo es doch um das heilige Blut Christi geht!« Erschrocken schlug er die Hand vor den Mund.
Abt Miguel verzog keine Miene.
»Ohne eine Frau wäre der Erlöser nie geboren worden. Was wären wir ohne die Liebe der Gottesmutter - nichts! Sei also rein wie die Taube und klug wie die Schlange. Öffne die Augen und lass dein Herz sprechen. Mehr kann ich dir nicht auf den Weg geben.«
»Aber werden sie mich bei den Schwarzhauben überhaupt einlassen? Ohne Mantel? Und ohne Schwert?«
»Das liegt allein an dir.«
»An wen wende ich mich dort?«
»Auch das wirst du herausfinden.«
»Und wenn ich gefunden habe, was es dort deiner Meinung nach zu erkennen gibt, dann ziehe ich weiter?«
»So soll es geschehen! Aber ich beschwöre dich, Bruder:
Sei vorsichtig, vor allem, wenn du dich schon fast am Ziel wähnst: Silos, der dem Kloster San Juan de la Peña seit beinahe zwanzig Jahren als Abt vorsteht, ist ein gerissener Fuchs.« Abt Miguel trat zurück. Sein Lächeln vertiefte sich. Das ganze Gesicht schien von innen zu leuchten. »Allerdings, wenn ich es mir recht überlege - nicht halb so gerissen wie du und ich zusammen.«
*
Am Bodensee, April 1246
»Ist dir auch wirklich nicht zu kalt?«
Pilar sog die klare Luft ein, bis ihr schwindelte und sie beinahe das Gefühl hatte, nicht mehr auf der harten Bank zu sitzen, sondern halb über dem Wasser zu schweben.
»Kein bisschen!«, versicherte sie, obwohl sie dabei die Decke enger um die Schultern zog. »Wie gut der See riecht - ganz anders als am Tag.«
»Was meinst du damit?«, fragte Tariq.
»Als sei ein Schleier weggezogen. Die Gerüche der Nacht lügen niemals. Brennen am Ufer schon die Osterfeuer?«
»Nein. Alles ist noch dunkel«, sagte er. Der Vollmond erlaubte ihm, ihr Gesicht zu studieren. Er sah, wie aufgeregt sie war. »Aber warte - dort drüben sehe ich ein paar vereinzelte
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