Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Strasse der Sterne

Strasse der Sterne

Titel: Strasse der Sterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
Vom Netzwerk:
geteert und gefedert über den Markt trieben?
    Ganz Regensburg zerriss sich das Maul über die Geschichte, die er im Suff erzählte: Er habe die Anwesen des Weltenpurgers angezündet, im Auftrag mächtiger Hintermänner. Dabei wussten doch alle, dass er ein arbeitsscheuer Krakeeler war, der seit dem Tod seiner Frau jeden Halt verloren hatte. Vermutlich durfte er deshalb auch das Leben behalten. Nicht einmal die rechte Hand hatte man ihm genommen. Ein paar Tage Pranger würden vermutlich ausreichen, um ihn von weiteren Prahlereien abzuhalten.
    »Da treiben sich eine Menge Gaffer herum. Lohnt sich nicht einmal, hinzusehen. Sitzt du auch wirklich gut?«
    »Das tue ich.« Sie war früher gern geritten und fühlte sich noch immer einigermaßen sicher im Sattel. »Aber bitte lüg mich nicht an. Dann wird deine Stimme nämlich ganz flach.«
    Pilar tätschelte den Hals der Stute Walli, ein braves Tier, ausgeruht und frisch beschlagen, das ihnen die doppelte Last nicht übel nahm.
    »Am liebsten würde ich absteigen und ein Stück laufen. So, wie die echten Pilger es tun. Du hast meinen Stock doch nicht vergessen?«
    »Natürlich nicht.« Es lag ihm daran, Regensburg so schnell wie möglich zu verlassen. Wie hatten sie es überhaupt so lange dort aushalten können?
    »Jona hat mich gefragt, ob wir über León reisen. Wir reisen doch über León, Tariq?«
    Nicht zum ersten Mal verfluchte er ihr unbestechliches Gedächtnis. Er hatte ihr die wichtigsten Stationen ihrer Route genannt, und sie schien tatsächlich alles behalten zu haben!
    »Lass uns erst einmal heil und sicher bis nach Einsiedeln kommen, mi niña. Danach sehen wir weiter.«
    »Jona hat gesagt, dass sein Bruder Simon dort lebt. Mit seiner Frau Riwka. Und dass ihre einzige Tochter fortgelaufen ist. Wir müssen sie unbedingt besuchen. Papa hätte bestimmt gewollt, dass wir es tun.«
    »Wenn wir erst einmal Kloster Einsiedeln erreicht haben, ist schon ein großes Stück geschaff t . Dort sammeln sich alle Pilger für die Obere Straße. Vielleicht finden wir dort jemanden zum gemeinsamen Weiterreisen.«
    »Mama stammte doch auch aus León«, fuhr Pilar nachdenklich fort. »Was ist eigentlich mit ihren Eltern? Hast du die auch gekannt?«
    »Nein. Beide sind gestorben, als sie noch sehr klein war.«
    »Und Geschwister? Brüder? Schwestern? Gab es denn gar niemanden mehr?«
    Seines Wissens hatte niemand in Pilars Gegenwart jemals
    León, geschweige denn die Familie erwähnt. Aber war es nicht seine Pflicht, ihr davon zu erzählen, so, wie die Dinge nun einmal lagen? Tariq entschloss sich, damit noch zu warten. Erst einmal Abstand bringen zwischen sie und die Stadt mit den stolzen Türmen!
    Er spornte die Stute zum Galopp an.
    »Sieht man die Türme noch?«, fragte Pilar. »Wenn du dieses Mal die Wahrheit sagst, verspreche ich, dich erst viel später wieder nach León zu fragen.«
    Überrascht sog er die Luft durch die Zähne. Sie konnte in seiner Seele lesen, wie es sonst nur die Herrin vermocht hatte!
    »Jetzt sind sie verschwunden«, sagte er. »Beinahe, als hätte es sie niemals gegeben.«
    Mit Bedacht hatte er sich für kleinere Wege entschieden, da sie in seinen Augen sicherer waren als die Fernhandelsstraße, die die meisten Wanderer, Reiter und Fuhrwerkzeuge benutzten. Er wusste genau, welch ungewöhnlichen Anblick sie boten - die Blinde und ihr Begleiter, den trotz seiner Kleidung kaum jemand für einen Christen halten würde. Schon jetzt begann Tariq daran zu zweifeln, ob der Zeitpunkt ihres Aufbruchs klug gewählt war. Bald begann die Karwoche, in der die Frömmigkeit der Christen alljährlich den Höhepunkt erreichte. Mit der Trauer um den Tod des Herrn wuchs auch der Zorn auf die Juden, die den Messias ans Kreuz genagelt hatten. Er war kein Jude, er war Moslem. Ob aber eine aufgebrachte christliche Meute sich für diesen Unterschied interessieren würde?
    Er beschloss, kein Risiko einzugehen. Und wenn Pilar es noch so eilig hatte - ihre Sicherheit ging vor. Wenn ihm etwas zustieß, war auch sie verloren.
    Zwischen kahlen Hopfenfeldern entdeckte er eine Scheune. Beim Näherkommen wirkte sie etwas baufällig, aber als er abstieg, um sie zu inspizieren, stellte er fest, dass sie innen einigermaßen trocken war. In der Nähe gab es sogar einen kleinen Bach. Er füllte ihre Wasservorräte auf und ließ Pilar, die sehr durstig war, aus seiner hohlen Hand trinken.
    »Köstlich!«, sagte sie und wollte gar nicht mehr aufhören zu trinken.
    Er roch ihren frischen

Weitere Kostenlose Bücher