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Strasse der Sterne

Strasse der Sterne

Titel: Strasse der Sterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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die er dort verbracht hatte, waren die reinste Qual für ihn gewesen, nicht nur wegen der beiden, die das Gebot, ein älterer Mönch müsse zwischen zwei jungen liegen, umgangen hatten und sich flüsternd und stöhnend unter einer kratzigen Wolldecke vergnügten. Es war die Anwesenheit so vieler gleichzeitig in einem Raum, die ihm zu schaffen machte, das Raunen, Knarzen und Schnarchen.
    Als Abt Miguel, dem die Schatten unter seinen Augen nicht entgangen waren, ihn zu sich ins Abthaus einlud, folgte er ihm bereitwillig. Im Abthaus betrieb er seitdem auch seine Studien.
    Glasfenster erlaubten den Blick auf die rötlichen Berge, die sich unmittelbar vor ihm erhoben; wenn er sie aufstieß, hörte er das Murmeln eines Baches und roch Kiefernduft. Er liebte diese zerklüftete Landschaft, die ihn ähnlich sehnsüchtig stimmte wie die wilden Küsten seiner Heimat Portugal. Wenn er daran dachte, fiel es ihm schwer, sich auf den Stoß eng beschriebener Pergamente vor ihm zu konzentrieren, der unaufhörlich zu wachsen schien.
    Fra Fernando, der die beachtliche Bibliothek betreute, ließ von seinen Gehilfen die dicken Schweinslederschwarten zu ihm hinüberschaffen, obwohl er nicht verbarg, was er von solch einem, in seinen Augen nutzlosen Aufwand hielt. Nur der Respekt vor dem Abt hinderte ihn daran, offen Widerstand zu leisten; aber es konnte dennoch Tage dauern, bis Armando bekam, was er bestellt hatte.
    Die Spuren verdichteten sich, daran gab es für ihn keinen Zweifel. Aber trotz all der Sorgfalt, die er an den Tag legte, war er noch immer nicht auf das gestoßen, wonach er suchte. Manchmal kam es ihm vor, als bildeten die Berge ringsumher eine unüberwindliche Schranke; dann wieder war er überzeugt, hier mitten im Herzen der Pyrenäen genau am richtigen Platz angelangt zu sein.
    Gemütsschwankungen beunruhigten ihn. Aber er hatte geschworen, die Suche erfolgreich zu Ende zu führen. Und nichts und niemand würde ihn davon abbringen. Schon gar nicht die Mönche, die seine Anwesenheit irritierend zu finden schienen. Er blieb ein Außenseiter, obwohl sein Mantel weiß war wie ihrer. Auf seinem Rücken jedoch brannte das Tatzenkreuz; sie dagegen gürteten ihr schlichtes Skapulier mit einem schwarzen Gürtel.
    Dazugehörig fühlte er sich vor allem, wenn sie Lieder zum Preis des Herrn anstimmten. Armando wusste, dass er gut singen konnte; in diesen Räumen jedoch erreichte seine Stimme eine Fülle und Klarheit, die ihn selber erstaunte.
    Abt Miguel war es, der ihn eines Abends darauf ansprach. Komplet war vorüber und damit eigentlich wieder Schweigegebot, aber er betrat das kleine Zimmer, in dem er seinen portugiesischen Gast untergebracht hatte, und begann ohne Umschweife ein Gespräch.
    »Deine Stimme ist ein großes Geschenk«, sagte er. »Nie hat das >Sanctus< in meinen Ohren lieblicher geklungen. Viele Brüder haben Schwierigkeiten mit der Mehrstimmigkeit der neuen Lieder. Du dagegen singst so frei wie ein Vogel.«
    »Es bereitet mir Freude«, sagte Armando. »Vielleicht liegt es daran.«
    »Der Herr hat manche von uns mit Talenten gesegnet. Ich denke, es ist sein innigster Wunsch, dass wir sie hüten und pflegen.«
    »Ich sehe mich als Ritter Christi und nicht als Sänger«, sagte Armando. »Ich ziehe es vor, ihm auf meine Weise zu dienen.«
    Der Abt zog sich einen Schemel heran und musterte ihn eindringlich. »Gerade deshalb will ich mit dir reden. Ich glaube zu wissen, was dich wirklich zu uns geführt hat. Leider vermag ich es dir nicht zu geben, selbst wenn ich es wollte. Aber ich weiß, wie du in deinem Begehren einen entscheidenden Schritt weiterkommen könntest.« Er räusperte sich. »Vorausgesetzt natürlich, du schwörst dem Hochmut ab.«
    »Seitdem ich bei euch lebe, fühle ich mich unvollkommener denn je.«
    »Gerade der Wunsch nach Demütigung kann oft ein Zeichen von Hochmut sein. Du bist noch sehr jung, mein Freund. Und, glaube mir, es sind oft die Besten, die in Versuchung geführt werden.«
    »Du sprichst aus eigener Erfahrung?«
    Ein unbestimmtes Lächeln. »Die Weichen verlangen nach dem Weichen, die Verwöhnten nach dem Schönen, die Hochmütigen nach dem Kostbaren.« Abt Miguel ließ ihn nicht aus den Augen. »Aber unser geliebtes Kloster hat diesen kostbarsten aller Schätze niemals besessen. Und wenn du noch so viele Folianten unserer Bibliothek studierst, hier wirst du ihn nicht finden.« »Du weißt, wonach ich suche?« Das Herz schien ihm stillzustehen.
    »Du bist nicht der Erste und wirst nicht

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