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Strasse der Sterne

Strasse der Sterne

Titel: Strasse der Sterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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Füßen und zündet sie an. Wusstest du, dass Huren besser brennen als dürres Reisig?« Ein hässlicher Knurrlaut, der sie zurückweichen ließ. »Sogar die Mauren kommen allmählich auf den Geschmack.«
    Sie vermied seinen Blick. Manchmal gelang es ihr, sich in gefährlichen Situationen beinahe unsichtbar zu machen, als ob sich ein Zaubermantel über sie gelegt hätte.
    »Du hast mich nach der Zukunft gefragt«, sagte sie mit gebeugtem Kopf. »Ich habe lediglich die Karten sprechen lassen.«
    »Glaubst du wirklich, ich will eine solche Antwort?« Er packte ihren Arm. »Du kannst deinen Fehler wieder gutmachen. Ich gehe hinüber zu dem Abfallhaufen. Sobald ich dir ein Zeichen gebe, kommst du nach. Und du kommst nach. Wenn nicht ...«
    Mit der Rechten machte sie hinter ihrem Rücken das Verwünschungszeichen, das Laila ihr als Erstes beigebracht hatte. Dann packte sie die Karten und stopfte sie in ihre Tasche. Sein Gang war schwerfällig, der Hintern breit und formlos. Wahrscheinlich stank er wie ein Fass alter Essig.
    Estrella lief los, quer über den Markt, und kümmerte sich nicht um die Gemüsekiste, die sie umstieß, nicht um das Keifen der Weiber, nicht um das Lachen der Kinder. Keuchend blieb sie erst stehen, als sie die Alcazaba erreicht hatte, wo der maurische Adel wohnte. Hier waren die Gärten gepflegt, die Häuser groß, jedoch von hohen Mauern umgeben. Nirgendwo ein Schlupfloch, wohin sie auch schaute!
    Sie lief weiter, immer unruhiger, weil sie Angst hatte, er sei ihr doch gefolgt, bis sich schließlich eines der Tore öffnete und eine runzelige Berber in sie hineinließ. Es war nur ein staubiger Schuppen, den sie ihr anbot, aber immerhin ein sicherer Platz für die Nacht.
    Sie war hungrig, als sie erwachte. Und so klar im Kopf wie lange nicht mehr. Die Mauren hatten selber genügend Sterndeuter und Wahrsager. Frommen Juden musste sie ihre magischen Fähigkeiten, wie sie aus bitterer Erfahrung wusste, erst gar nicht anbieten. Was sie brauchte, waren Christen, furchtsam und abergläubisch zugleich.
    Wieder kam Laila ihr in den Sinn.
    Die Alte hatte ihr von einem Pilgerweg erzählt, auf dem zahllose Fromme unterwegs waren. In Punte la Reina, hoch im Norden, solle er beginnen und weiter nach Westen führen, bis Santiago de Compostela. Heerscharen von Abergläubischen könnte sie dort finden!
    Einen einzigen Wermutstropfen gab es allerdings. Estrella hatte sich geschworen, niemals mehr nach Leon zurück- zukehren. Und die Pilgerroute führte direkt über León. Aber es zwang sie ja niemand, die Stadt zu betreten!
    Plötzlich ganz munter geworden, fuhr Estrella mit den Fingern durch ihr rotblondes Haar, das fast bis zur Taille reichte, wenn sie es offen trug. Rock und Bluse konnten seit langem eine Wäsche vertragen, und plötzlich ekelte sie sich vor sich selber. Ihre Pflegeeltern hatten ihr von klein auf Reinlichkeit bei gebracht, und selbst jetzt, wo das Wanderleben oftmals keine Möglichkeit dazu bot, sehnte sie sich danach. Sie beschloss, eines der Badehäuser aufzusuchen. Außerdem konnte es nicht schaden, sich im Judenviertel neue Kleider zu kaufen.
    Als sie ihren Gürtel enger zog, fiel das eingeschlagene Päckchen heraus. Eine eigenartige Scheu hielt sie gewöhnlich davon ab, die Karten in eigenen Angelegenheiten zu befragen, heute jedoch war ihr danach. Sie mischte sie sorgfältig, hob mit der Linken dreimal ab und fächerte sie auf.
    Die erste Karte, die sie zog und schnell aufdeckte, ohne auf die Markierungen der Rückseite zu achten, war der Turm.
    Ein Sinnbild für Hoffart und Größenwahn, die zerbrechen.
    Hieß das, sie durfte nicht leichtsinnig werden, weil sonst Gefahr drohte?
    Sie wählte eine zweite. Das unerbittliche Rad der Zeit, dem keiner entkam.
    Sie war schon so weit herumgekommen. Würde es sie jetzt nach Norden treiben, wie sie es plante?
    Ihre Hände zitterten, als sie die dritte Karte aufdeckten: der Tod.
    Sie schlug die Karten blitzschnell wieder ein.
    Aber auch später, als ihr Haar in der Sonne glänzte, sie die Steifheit des neuen Stoffes auf der frisch gescheuerten Haut spürte und der Hunger mit Lammfleisch, geröstetem Brot und Datteln gestillt war, ging ihr die Todeskarte nicht aus dem Sinn. Die Sonne stand hoch; sie sehnte sich nach einem stillen Patio, in den sie sich zur Siesta zurückziehen konnte. Stattdessen stiegen die Straßen vor ihr immer steiler an, und bevor sie sich's richtig versah, war sie im Judenviertel angelangt.
    In der Regel redeten die Stimmen, die

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