Strasse der Sterne
weiß, du schaffst es. Dann kann ich dir viel besser helfen.«
Erst schien es, als würde Walli ihn nicht verstehen, dann aber zuckten ihre Hufe, und schließlich kam sie mühsam wieder auf die Beine.
»Gut gemacht, mein Mädchen!«
Mit einer Hand hielt Camino das Halfter. Mit der anderen strich er, beginnend bei der Kruppe, den Hals hinauf, über das Ohr nach außen. Er umfasste es leicht und konzentrierte sich auf die Spitze. Danach bearbeitete er die Ohrbasis. Nachdem er das Ohr einige Male ausgestrichen hatte, wechselte er auf die andere Seite.
Walli stieß immer wieder ein Schnauben aus, schien sich aber unter der Berührung nach und nach zu entspannen.
»Was hat er vor?«, fragte Pilar.
»Woher soll ich das wissen?«, sagte Tariq. »Von hier sieht es aus, als würde er nur ihre Ohren streicheln. Aber ich denke, er weiß genau, was er tut.«
»Das hilft, sie auf mich einzustimmen«, sagte Camino. »Aber jetzt wird es schwierig. Ich wünschte, wir hätten Rizinusöl zur Hand. Aber es könnte auch so gehen.«
Beherzt griff er der Stute zwischen Schweif und Afer. Walli wich zurück und schien scheuen zu wollen, ließ ihn aber schließlich gewähren.
»Und weiter?«, fragte Pilar. »Was macht er jetzt?«
»Durch kreisförmiges Massieren des Damms ihren Stuhlgang anregen«, sagte Camino. »Ein altes Mittel. Und vielleicht ...« Ein Sturzbach von Pferdeäpfeln ergoss sich über seine Hand.
Walli wieherte triumphierend, als hätte sie einen Sieg errungen.
»Jetzt habe ich ein Morgenbad wirklich nötig!«, sagte Camino und lachte.
Erleichtert fielen Pilar und Tariq ein.
»Sie braucht Ruhe und vor allem guten Hafer«, sagte er, nachdem er sich gewaschen hatte. »Ich denke, wir sollten in Le Puy eine Pause einlegen, damit sie sich wieder ganz erholt.«
»Woher weißt du das alles?«, fragte Pilar, als sie weiterzogen. »Wieso verstehst du so viel von Pferden?«
Sie hatte zu Fuß weitergehen wollen, Camino hatte sie jedoch ermuntert, aufzusteigen. Die Stute hatte sich nicht gewehrt. Zwar ging es etwas langsamer als bisher voran, aber keiner war daran interessiert, Walli anzutreiben.
»Das frage ich mich auch«, sagte Tariq. »Keine Ahnung, was du gemacht hast. Aber gewirkt hat es.«
»Ich bin mit Pferden aufgewachsen«, sagte Camino. »Da lernt man, ihre Sprache zu verstehen. Und später bin ich viel geritten. Da kommt es immer wieder zu Situationen, wo man ihnen schnell helfen muss. Sonst gerät man selber in Gefahr.« Er kniff die Lippen zusammen, als habe er schon zu viel verraten.
»Du warst ein Ritter?«, sagte Pilar, die an ihren wiederkehrenden Traum denken musste.
»Ich habe im Namen Gottes gekämpf t . Aber um jede Hand, die ein Schwert führt, streiten sich Engel und Dämonen.«
*
Perigeux, Mai 1246
Gero war zurück.
Sein grelles Lachen durchdrang ihre Träume, sein Leichengesicht schob sich vor die grünen Hügel und Täler. Der Blitz, sein Steinmetzzeichen, flammte immer wieder in ihr auf und drohte zu versengen, was heil war oder im Begriff, langsam wieder heil zu werden. Wie ein unsichtbares Brandmal trug sie ihn mit sich herum. Moira verlor den Appetit und verstummte. Manchmal war sie so tief in Gedanken, dass sie nicht mehr aufpasste, wohin sie ihre Füße setzte. Zweimal rutschte sie in den Straßengraben; ein anderes Mal schlug ihr beim Wasserholen der Eimer so hart ans Knie, dass sie es tagelang bandagieren musste.
Hans, der rasselnd neben ihr herwatschelte, versuchte etwas aus ihr herauszubekommen. Aber je mehr er sich anstrengte, desto stärker wehrte sie ihn ab.
»Ist ja nicht mehr mit dir auszuhalten!«, klagte er, als sie Rast am Ufer der Isle machten. Aus seiner Tasche zog er Brot und einen stattlichen Schinken, den ihm gestern eine mitleidige Seele zugesteckt hatte. »Bist du etwa schwanger? Oder was hat dir sonst die Petersilie verhagelt?«
»Kümmere dich lieber um deine eigenen Angelegenheiten!«, fauchte sie zurück.
»Hast du eigentlich Kinder? Hab noch keine Silbe darüber gehört, all die Zeit! Hab mir immer einen Stall voll Kinder gewünscht. Aber bislang war ich wohl keinem Weib gut genug.«
»Hast du keine Ohren?« Jetzt schrie sie ihn an. »Lass mich endlich in Frieden!«
»Einen Schluck Wein?« Hans war inzwischen dazu übergegangen, seine Kalebasse mit Wein aufzufüllen, wann immer sich Gelegenheit dazu bot. »Das ist ein feines Tröpfchen, kann ich dir verraten!«
»Saufen kannst du allein.« Ein Stück entfernt hatte sie eine Trauerweide
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