Strasse der Sterne
trennen, Liebste. Das weiß ich jetzt.«
»Und doch wird es dazu kommen. Vielleicht schon sehr bald.«
»Niemals! Ich werde den Orden verlassen. Ich möchte, dass du meine Frau wirst - vor aller Welt. Heirate mich, Blanca!«
»Du willst mich also heiraten, um nicht mehr zu sündigen?« Ich hasste diese teuflische Stimme, die in mir erwacht war, aber sie war stärker als ich. »Dazu ist die Ehe doch da. Sie macht ein Sakrament aus Dingen, die man sonst beichten müsste.«
Oswald sah mich irritiert an.
»Ich verstehe nicht«, sagte er. »Wovon redest du?«
»Ich glaube nicht an dieses Sakrament. Und auch nicht an die anderen.« Ich löste mich aus seiner Umarmung. »Ich bete ein anderes Vaterunser und bezweifle die Auferstehung des Fleisches am Jüngsten Tag. Die Gebote des Papstes sind nichtig für mich. Und für uns, die wir den rechten Glauben haben, hat Jesus niemals den Tod am Kreuz erlitten.«
Was ging in ihm vor, während ich ihm all das entgegenschleuderte?
»Ich hätte es dir schon längst sagen sollen, Oswald. Aber nun tue ich es. Ich gehöre zu den Reinen. Verstehst du, was das bedeutet? Wir werden verfolgt, gejagt und verbrannt. Die Häscher sind überall in der Stadt. Allein mit mir zu sprechen ist lebensgefährlich. Wenn du mich also den Schwarzkutten übergeben willst - sie werden dir mehr als dankbar sein.«
Er blieb so lange stumm, dass ich schon das Schlimmste zu fürchten begann. Auf seinem Gesicht spiegelte sich seine innere Qual, dann jedoch entspannte es sich wieder.
»Es ist mir egal, woran du glaubst«, sagte er schließlich. »Solange du nur an uns glaubst. Du bist mein Engel und mein Verderben.« Seine Stimme war heiser. »Willst du mich vernichten, Blanca? Dann verlass mich. Stoß mich weg von dir. Damit tötest du mich.«
»Wir hätten uns niemals treffen dürfen. Niemals berühren. Es tut mir Leid, Oswald. Ich hab es nicht gewollt.«
»Du hast es ebenso sehr gewollt wie ich. Was ist falsch daran, Blanca? Die Vereinigung von Mann und Frau ist eine heilige Reise. Und niemals kann sie heiliger für mich sein als mit dir.«
»Aber du bist ein Mönch, und ich bin eine ...«
Er nahm mein Gesicht in beide Hände und presste seine Lippen auf meine. Ich spürte seine bärtige Wange und seine süße, warme Zunge, die meinen Mund erforschte. Der Kuss schien kein Ende nehmen zu wollen.
Irgendwann ließ er mich wieder los.
»Es wird eine Zeit kommen, in der du mich ebenso hasst, wie du mich jetzt liebst«, sagte ich atemlos. »Wir passen nicht zueinander. Wir dürfen nicht ...«
Er küsste meinen Hals. Vorsichtig berührte sein Mund die empfindliche Stelle unter dem Ohr, die mich in Raserei versetzen konnte. Mein Widerstand erlosch. Ich fühlte, wie ich weich und willenlos wurde. Sein Herz hämmerte gegen meine Brüste, bis ich ihn voller Ungeduld so eng an mich zog, dass der Schlag unserer Herzen zusammenfand.
*
Ein Halbwüchsiger, mager und braun wie ein Fohlen.
Er schien um sein Leben zu rennen, aber die Verfolger waren ihm dicht auf den Fersen. Eine Gruppe junger Männer, laut und aggressiv, zum Äußersten entschlossen.
»Haltet ihn, den Sohn der Ehebrecherin! Steinigt ihn!«
Ein Steinhagel prasselte. Aber die Geschosse verfehlten ihr Ziel. Zitternd fiel er mir zu Füßen.
»Rette mich!«, flehte er. »Sie haben meine Mutter getötet. Und jetzt bin ich an der Reihe.«
Ich stieß die Haustür auf und ließ ihn hinein. Oswald hatte ich vor weniger als einer Stunde verlassen. Ein bewegender Abschied, bis wir uns endlich voneinander trennen konnten. Vielleicht war ich deshalb empfänglicher für seine Not.
»Wer bist du?«, fragte ich.
Aus der Nähe erschien er mir älter, als ich zunächst gedacht hatte. Er war kaum kleiner als ich, mit einem scharfen, gut geschnittenen Gesicht. Neugierig betrachtete ich ihn. In León lebten zwar einige Mauren, aber der Kontakt mit ihnen beschränkte sich auf ein paar Begegnungen auf dem Markt. Ihre Sitten und Gebräuche waren mir fremd. Sie lebten in ihrer eigenen Welt, wie auch die Welt des jüdischen Ghettos eigenen Regeln und Gesetzen gehorchte. Genau betrachtet, wusste ich von der einen so wenig wie von der anderen.
»Tariq«, sagte er. »Wirst du mich wieder wegschicken? Das darfst du nicht.« Seine Stimme wurde flehend. »Das da draußen, die mit den Steinen, sind meine Vettern. Die Söhne meines Onkels. Sie werden mich umbringen.«
»Erzähl mir erst einmal, was geschehen ist.«
»Du lässt mich bleiben?« Ich sah Dankbarkeit in
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