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Strasse der Sterne

Strasse der Sterne

Titel: Strasse der Sterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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Ohren jedoch baumelten goldene Ringe. Aus ihrem Mund klang der ohnehin breite Dialekt der Region noch schwerfälliger. »Ich könnt dir ein Ständchen blasen, das du schnell nicht mehr vergisst.« »Kein Bedarf. Such dir andere Kundschaft!« Er machte sich frei.
    »Weshalb so schüchtern?« Ihr Mund verzog sich einladend. »Hilf, Schwarze Madonna, hilf - ich kann dir etwas Besseres bieten! Bei der roten Babette wird zwar kein Blinder sehend, aber lernen kann deine hübsche Kleine trotzdem eine Menge. Arme und Beine hat sie ja schließlich. Und was den Rest betrifft, so werden wir schon ...«
    »Lass uns in Ruhe!« Sein Ton wurde scharf.
    Jetzt endlich schien sie begriffen zu haben.
    »Was hat sie gesagt?«, fragte Pilar, als sie leicht erhitzt vor dem Portal standen.
    »Nichts als Unsinn.« Das lautstarke Treiben auf den Stufen vermischte sich mit dem Hämmern, Klopfen und Sägen, das aus den steilen Gassen zu ihnen heraufdrang.
    Pilar schwieg, bis sie vor der Madonna angelangt waren.
    »Ich beneide dich, dass du sie sehen kannst«, sagte sie. »Wie sieht sie aus?«
    »Ihr Mantel ist mit roten und grünen Edelsteinen geschmückt. Auf ihrem Schoß sitzt das Jesuskind. Sie trägt eine Krone. Ihre Hände sind weiß.«
    »Weiß?«, wiederholte Pilar überrascht. »Und das Gesicht?«
    »Schwarz. Sie hat große Augen, die alles sehen. Spricht sie zu dir?«
    »Nein«, sagte Pilar. »Ich höre sie nicht. Aber spüren kann ich sie. Weise ist sie und offen. Als fände die ganze Welt Platz in ihrem Schoß.« Sie sah so ernst dabei aus, dass ihn eine Welle von Zuneigung erfasste.
    »Das hast du schön gesagt, Pilar. Ich beneide dich um deine Fähigkeiten. Du brauchst nicht einmal deine Hände, um alles zu begreifen. Ich wünschte, ich hätte nur ein wenig von dir.«
    »Vielleicht ist sie mir vertraut, weil wir zu Hause auch eine Schwarze Madonna hatten«, fuhr sie fort. »In der Turmkapelle. Das war der Lieblingsplatz meiner Mutter.«
    »Deine Mutter hat zur Schwarzen Madonna gebetet?«, fragte Camino.
    »Das weiß ich nicht«, sagte Pilar nachdenklich. »Vielleicht, wenn sie allein war. Aber den Turm hat sie geliebt. Da war sie of t . Als sie fortgegangen war, bin ich immer wieder hinaufgestiegen. Dort fiel es mir leichter, mir vorzustellen, sie wäre noch bei uns.«
    »Wann ist sie fortgegangen?«, fragte er leise. »Wohin?«
    »Als ich klein war - und noch sehen konnte. Wohin? Das weiß niemand. Nicht einmal Papa.«
    »Du vermisst sie.«
    Ein Nicken. »Wie konnte sie mich verlassen?«, flüsterte sie. »Ich bin doch ihr Kind!«
    Ihr Haar war zerzaust und fransig nachgewachsen. Das Kleid hing um ihre zarten Knochen. Verletzlich kam sie ihm vor, jung und schutzbedürftig. Am liebsten hätte er sie väterlich in die Arme genommen, aber das durfte er nicht. Nicht, bevor er sich ganz sicher war.
    Er ließ ihr Zeit, sich wieder zu fassen.
    »Erzähl mir von Santiago«, sagte sie plötzlich.
    »Vom heiligen Jakobus? Weshalb?«
    »Papa hat immer mit ihm geredet, bei uns zu Hause in der Schottenkirche. Und für mich war er stets wie ein Freund. Aber seitdem wir unterwegs sind ...« Ihre Hände sanken herab. »Der Weg zu ihm ist lang und anstrengend. Manchmal wird er mir innerlich richtig fremd.«
    »Ich kenne das Gefühl«, sagte Camino. »Je näher man ihm kommt, desto weiter scheint man sich von ihm zu entfernen.«
    »Dir geht es auch so? Das beruhigt mich. Ich weiß, dass er ein Apostel war, der in Galicien begraben liegt. Und dass viele, viele Menschen zu ihm pilgern, so wie du und ich.«
    »Manche haben ein Gelübde getan«, sagte Camino. »Andere büßen für ihre Sünden, oder sie machen sich aus Abenteuerlust auf den Weg. Ich schätze, es gibt nahezu unzählige Gründe, zu ihm zu gehen.«
    Die Kathedrale begann sich langsam zu füllen. Pilar hörte es an den Schritten, den Atemzügen und dem verhaltenen Flüstern. Die Messe würde bald beginnen. Aber noch konnte sie neben ihm stehen und seiner Stimme lauschen.
    »Erzähl mir alles über Jakobus, was du weißt!«, bat sie.
    »Er ist für seinen Glauben im Heiligen Land gestorben«, sagte Camino. »Der König, der ihn töten ließ, verbot, ihn dort zu begraben, um seinen Schülern Angst zu machen. Sie aber ließen sich nicht abschrecken, stahlen den Leichnam, betteten ihn in einen Sarg und brachten ihn an Bord eines Bootes. Es trieb hinaus auf das Meer. Irgendwann kam es an der Küste Galiciens an, über und über mit Muscheln bedeckt, als hätten die Tiere versucht, den Korpus

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