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Strasse der Sterne

Strasse der Sterne

Titel: Strasse der Sterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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seinen dunklen Augen aufflackern. Er hatte etwas an sich, das mich rührte. Ich mochte ihn vom ersten Augenblick an.
    »Ich werde mit meinem Bruder reden. Und dann sehen wir weiter.«

 

     
    Vor Le Puy, Mai 1246  
       
    Feuerwand. Feuerwelt.
    Lodern. Zischen. Rot und golden, gleißend hell.
    Schützend hebt sie die Arme vor das Gesicht und macht einen unvorsichtigen Schritt. Jetzt ist sie von allen Seiten eingeschlossen. Die Flammen lecken wie eiskalte Zungen auf ihrer Haut.
    Sie kann das Feuer teilen, mühelos wie einen Vorhang.
    Das Haus an der Wahlenstraße, unversehrt wie einst - Truhen, Teppiche, Tische, Stühle. Langsam steigt sie die Treppe hinauf, Stufe für Stufe. Ihre nackten Füße ertasten altbekannte Vertiefungen.
    Eine Tür schlägt zu. Aus dem Tanzsaal dringen Lachen und Musik. Beim Hineinkommen glaubt sie einen weißen Schleier zu sehen, der aus dem Fenster weht.
    »Mama!« Sehnsuchtsvoll zieht sich ihr Herz zusammen. »Mama! Wo bist du? Sag etwas! Ich brauche dich.«
    Dann hört sie ein Geräusch. Sie kennt es und weiß nicht, woher. In düsteren Rauchschwaden schaukelt eine Wiege, umschlungen mit breiten, scharlachroten Bändern.
    Magdas Kind! Wie kann es schon geboren sein?
    Sie beugt sich darüber, ihre Finger klammern sich Halt suchend an das grob geschnitzte Holz, als sie erschrocken zurückfährt.
    Es ist kein friedlicher Säugling, den sie auf dem Steckkissen erblickt. Sondern Papas bis zur Unkenntlichkeit verkohltes Gesicht...
      
    Mit einem Schrei schoss Pilar hoch. Die beiden Männer, die neben ihr geschlafen hatten, waren im gleichen Moment wach.
    »Was hast du?« Caminos Stimme war heiser vor Besorgnis. »Bist du krank? Hast du Schmerzen?«
    Sie war nicht in der Lage, zu antworten.
    »Wieder dieser Traum, mi niha?.« Behutsam streichelte Tariq ihre Hand.
    »Nein«, sagte sie erstickt, »ein anderer. Überall Feuer, aber nicht heiß, sondern eiskalt. Und als ich Magdas Kind ansehen wollte, hatte es plötzlich ...« Sie wandte sich ab.
    »Wer ist Magda?«, wollte Camino wissen.
    »Unwichtig«, winkte Tariq ab. »Siehst du nicht, dass sie jetzt erst einmal einen kräftigen Morgentee braucht?«
    Sie hatten unter einer alten Buche geschlafen. Am Horizont waren die Wolken aufgerissen; das rosafarbene Licht versprach einen schönen Tag. Gelber Mohn und Bärenklau waren feucht vom Tau; ihr Duft mischte sich mit dem des Grases. Es war eine einsame Landschaft, die sie seit Tagen durchquerten, mit dichten Wäldern und zahlreichen Wasserläufen. Ab und zu trafen sie auf andere Pilger, die sich wie sie mit den Steigungen abmühten. Besonders der letzte Abschnitt hatte alles von ihnen gefordert: ein Pfad, der sich in endlosen Kehren hinaufgeschwungen hatte, um schließlich zwischen dunklen Felswänden nicht minder endlos wieder hinabzuführen.
    Nicht zum ersten Mal fragte sich Camino, warum Tariq ausgerechnet diese schwierige Strecke ausgesucht hatte. Selbst er musste gegen schmerzende Muskeln und verkrampfte Waden kämpfen. Aber er wusste, warum er sich für diesen Weg entschieden hatte, auch wenn es nur eine vage Hoffnung war, die ihn vorantrieb. An diesem Morgen freilich erschien sie ihm trügerischer denn je.
    Ein Geräusch ließ ihn aufschrecken.
    »Das Pferd«, sagte er. »Walli!«
    Die Stute scharrte mit den Hufen, warf den Kopf herum, und das Weiß in den Augen trat hervor. Als Tariq sich dem unruhigen Tier nähern wollte, hielt Camino ihn zurück.
    »Wenn es das ist, was ich befürchte, wird sie sich hinlegen«, sagte er.
    Tatsächlich ließ Walli sich im nächsten Moment schwer auf die rechte Seite fallen und wälzte sich hin und her.
    »Was hat sie gefressen?« Camino klang angespannt.
    »Das Übliche«, sagte Tariq. »Gestern konnte sie allerdings gar nicht genug bekommen von dem saftigen Gras ...«
    »Das war wohl zu viel des Guten. Wir hätten besser aufpassen sollen!«, unterbrach ihn Camino. Er kniete sich neben die Stute und begann leise auf sie einzureden.
    »Was hat sie?«, mischte sich nun auch Pilar ein. Sie kam näher. »Ich höre, dass es ihr nicht gut geht. Aber Walli soll nicht leiden müssen!«
    »Dann lasst uns zwei jetzt am besten in Ruhe.«
    Caminos Hand lag ruhig auf dem aufgeblähten Pferdebauch. Nach einer Weile begannen seine Fingerkuppen zu kreisen, behutsam zunächst, dann zunehmend fester. Das Schlagen der Beine wurde schwächer, schließlich lag die Stute ganz still.
    »Gute Walli!« Seine Stimme war sanft. »Steh auf, meine Brave. Komm, ganz vorsichtig! Ich

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