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Strasse der Sterne

Strasse der Sterne

Titel: Strasse der Sterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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entdeckt. Die Vorstellung, unter ihren Zweigen zur Ruhe zu kommen, erschien Moira verlockend. »Ich leg mich einstweilen schlafen.«
    »Wo soll es weitergehen? Ich bin für dieses Perigeux. Der Kerl, der mir gestern den Schinken spendiert hat, hat erzählt, dass es dort ein Heiligengrab geben soll.«
    »Meinetwegen.« Moiras Müdigkeit war plötzlich so überwältigend, dass sie kaum noch die Augen offen halten konnte.
    »Und eine riesengroße Kuppelkirche. Was auf offene Herzen und nicht minder offene Börsen schließen lässt. Wenn wir rechtzeitig zum Hochamt dort sind ...«
    »Lass mich mit deinen Kirchen, ja!« Sie stand auf, schüttelte ihren Rock aus. »Ich hab genug davon!«
    »Ach ja? Und wieso rennst du dann in jede hinein, wenn du denkst, ich sehe es nicht? Aber Hans aus Cochem merkt alles, hast du verstanden?« Die Fellinseln in seinem Gesicht vibrierten, so gekränkt war er.
    Moira streckte sich unter der Weide aus. Was ging es ihn an, dass sie jedes Mal am liebsten eine Kerze angezündet hätte, wenn sie den Blitz irgendwo entdeckt hatte. Eine Kerze für Marie.
    Die Sonne stand tief, als sie wieder bei ihm auftauchte. Der Schlaf hatte ihre Züge weicher gemacht, aber schon bei seinen ersten Worten verhärteten sie sich wieder. Den restlichen Weg nach Perigeux legten sie schweigend zurück.
    »Wohin jetzt also?«, sagte Hans, als die Kuppeln der Kathedrale im Abendlicht über den Dächern erschienen.
    Sie zuckte die Achseln.
    »Dann würde ich vorschlagen, dass wir beide ...«
    »Nein«, sagte Moira. »Geh du nur ruhig zur Basilika. Ist vermutlich Maiandacht. Könnte reiche Beute abfallen.« Nicht zum ersten Mal äffte sie seinen Singsang nach, aber es schien ihn nicht zu stören. »Ich seh dich dann morgen. Am Marktplatz. Zum Mittagsläuten.«
    Glücklicherweise schien er ihr nicht zu folgen, aber sie fühlte sich erst sicher, als sie ein kleines Wäldchen erreicht hatte. Vor ihr erhoben sich alte Mauern, manche halb eingefallen, andere noch erstaunlich gut erhalten. Ein warmer, rötlicher Stein, der die Sonnenwärme eines langen Tages gespeichert hatte. Ehrfürchtig strich sie darüber.
    Alle, die einst daran gearbeitet hatten, waren längst tot und begraben. So tot und begraben wie Gero eigentlich sein sollte ...
    Ein halb verfallener Tempel, der Göttin Diana geweiht.
    Sie erkannte es an einem verwitterten Relief, das sie im schwindenden Licht entdeckte: eine junge Frau, bewaffnet mit Pfeil und Bogen. Zwei schlafende Hunde zu ihren Füßen.
    Viele Frauen und Mädchen in ihrer Heimat trugen diesen Namen. Hätte Moira eine zweite Tochter geboren, worauf sie insgeheim lange gehofft hatte, sie würde ebenfalls Diana heißen.
    Die Erinnerungen an ihre Mutter wurden so stark, dass sie plötzlich Marys Stimme zu hören glaubte. Mary hatte Irisch gesprochen, bis zu ihrem Tod, und die weichen gälischen Laute erschienen ihr wie eine wunderschöne Melodie.
    »... die Göttin der Frauen. Niemals hat sie sich von einem Mann bezwingen lassen ... die ewige Jungfrau ... stark und unbesiegbar ...«
    Moira ließ sich ins Gras sinken und umklammerte ihre Knie. Inzwischen war es so dunkel, dass sie niemand sehen konnte, wenn sich überhaupt jemand zwischen diese Ruinen verirrte.
    »Hilf mir, Diana«, flüsterte sie. »Wenn du die Göttin der Frauen bist und mich hörst, dann erbarme dich meiner! Lass diesen Alb endlich ein Ende haben! Hab ich denn gar kein Anrecht auf ein neues Leben?«
     
    *
     
    Kloster Santa Cruz de la Seros, Mai 1246
     
    »Wonach stinkt es denn hier?«
    Armando verzog das Gesicht, als er die Klosterküche betrat. Tagelang hatte er sich mit einer Entscheidung herumgequält. Heute war er zum Aufbruch bereit.
    »Frischer Essig«, erwiderte Sor Angelita fröhlich. Fliegen umschwirrten sie, aber sie machte keinerlei Anstalten, sie zu vertreiben. »Und ich denke, er wird so gut wie nie zuvor. Siehst du die Essigmutter?« Sie schwenkte den Krug vor seiner Nase hin und her. »Das ist das feste, hellbraune Stück, das den Boden bedeckt. Die macht die meiste Arbeit.«
    Angewidert wich er zurück. »Wozu soll das gut sein?«
    »Eigentlich könntest du dir die Antwort selbst geben.« Stück für Stück bröckelte sie eine Honigwabe hinein. »Hast du nichts bei mir gelernt? So, etwas Süße hat noch gefehlt. Aber weil ich heute so gut aufgelegt bin: Essig verfeinert viele Speisen und macht sie zusätzlich haltbar. Und er ist ein ausgezeichnetes Mittel gegen Kopfschmerzen.« Ihre Miene wurde ernst. »Außerdem

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