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Strasse der Sterne

Strasse der Sterne

Titel: Strasse der Sterne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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Pilar seufzte. »Wäre ich ein Mann und könnte ich noch sehen, so würde ich auch ...« Sie hörte ihn in einem Lederbeutel kramen und versteifte sich unwillkürlich. »Nein, ich glaub es nicht! Du hast dir doch nicht etwa schon wieder ein neues Mittel gegen Blindheit andrehen lassen?«
    »Es soll wahre Wunder wirken.« Heinrich hielt ihr ein
    Fläschchen unter die Nase. »Man hat es mir überzeugend versichert!«
    »Riechen tut es äußerst merkwürdig.« Sie schüttelte sich.
    »Was spielt das für eine Rolle, Prinzessin, wenn es nur hilft?«
    »So wie das sündteure Tollkirschenelixier? Drei lange Tage musste ich mich am Bettpfosten festhalten, weil ich Angst hatte, aus der Welt zu kippen!« Pilar spürte seine Enttäuschung. »Also, was ist es?«, sagte sie. »Hoffentlich keine Krötenaugen, die man dem armen Tier zuerst aus dem Kopf reißen musste, um sie um den Hals zu tragen!«
    »Ein Extrakt aus Küchenschelle«, sagte Heinrich, »vermischt mit einer Prise Alraune.« Sie hörte etwas knistern. Er schien die Rezeptur noch einmal zu überfliegen. »Die eine Hälfte musst du trinken, die andere wird zu lauwarmen Augenbädern verwendet. Balbina soll alles vorbereiten!«
    »Und danach kann ich garantiert wieder sehen?«
    Pilar hasste die plötzliche Bitterkeit in ihrer Stimme. Wahrscheinlich würde das Fläschchen alsbald zu all den anderen nutzlosen Heilsbringern in der Truhe unter dem Fenster wandern - dem vertrockneten Bilsenkraut, dem gestockten Hollerwein, den diversen Safransäckchen, Harzbrocken nebst welken Büscheln Augentrost, dem gestoßenen Smaragdpulver, das scheußlich in der Kehle gekratzt hatte, bis sie erbrechen musste, der geschälten Weidenrinde und all den Onyxsteinen, Amethysten, Bergkristallen, Perlen und Achaten, die ihr niemals Freude bereitet, geschweige denn etwas zur Heilung beigetragen hatten. Wenigstens verdankte sie Minka diesen nimmermüden Anstrengungen ihres Vaters. Irgendjemand hatte ihm eingeredet, man müsse die Pfote einer Katze auf das erkrankte Auge legen. Seitdem hatte sie zwar einen ordentlichen Kratzer neben der linken Braue, aber auch die Gesellschaft eines zutraulichen Geschöpfes, das sich an ihren Beinen rieb und ihr beim Einschlafen Gesellschaft leistete.
    »Einen Versuch ist es doch wert«, sagte er vorsichtig. »Du wirst es doch probieren - mir zuliebe?«
    »Papa, ich ...«
    »Bitte, Pilar! Meinst du, ich würde auch nur einen Moment zögern, dir mein Augenlicht zu schenken, wenn ich die Möglichkeit dazu hätte?«
    Sie spürte seine Tränen auf ihrer Hand.
    »Es ist nicht so schrecklich, wie du glaubst«, sagte sie leise. »Jedenfalls meistens nicht. Ich hatte ja Zeit, mich daran zu gewöhnen. Und dann habe ich ja noch die Bilder in mir, die mir keiner nehmen kann. Ich kann mich genau an das matte Gelb der Schlüsselblumen erinnern, an das erste Frühlingsgrün an Bäumen und Sträuchern.« Sie verriet ihm nicht, dass sie seit neuestem manchmal das Gefühl überkam, die Farben würden allmählich verblassen. Von dem Licht ganz tief drinnen, das nur ihr allein gehörte, sagte sie lieber auch nichts. »Außerdem gibt es jetzt Dinge für mich, Papa, die ich früher gar nicht kannte.«
    »Was meinst du damit, mein Mädchen?«
    »Ich höre, wie der Tag ausatmet, wenn die Abenddämmerung kommt. Ich fühle, wie die Luf t vor einem Gewitter knistert. Und ich spüre eigentlich immer, wenn jemand lügt, weil sein Körper sich dann verkrampft und die Stimme plötzlich anders klingt.« Sie kuschelte sich in seinen Arm. »Jetzt will ich aber endlich alles über das böhmische Silber wissen! Hast du genug zusammen, um mit dem Papiermachen richtig zu beginnen?«
    Sein Lachen, das sie mehr als alles andere vermisst hatte, machte sie glücklich. »Da spricht die echte Kaufmannstochter! Ja, den größten Teil habe ich beisammen; den Rest wird Jona gewiss zuschießen. Und wenn erst einmal das Stampfrad seine Arbeit tut, dann wird das gleich etwas ganz anderes sein als das mühsame Zerquetschen der Lumpen von Hand, mit dem wir uns bislang abgeplagt haben!«
    Für einen Augenblick war sie versucht, ihm zu sagen, dass sie Magda und Matteo im Bett erwischt hatte. Sie musste ja nichts von Renas Kammer erwähnen. Dann jedoch entschied sie sich dagegen. Magda war ihr gegenüber schon reizbar genug. Fand sie jetzt auch noch heraus, dass Pilar sie verraten hatte, würde das die Stimmung im Haus weiter vergiften.
    Heinrich war ihr inneres Abschweifen nicht aufgefallen. »Und weißt du, was?

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