Straße der Toten
sich und schaute herein. Sein Gesicht hätte nicht scheußlicher aussehen können – es schien fortwährend zu verwesen. Er setzte die Kiste auf dem Boden vor dem Fenster ab, nahm den Deckel runter und kippte sie nach vorne.
Die Frau darin sah nicht wie eine Frau aus. Überhaupt nicht wie ein menschliches Wesen. Caleb und sein Lynchmob hatten ihr alle möglichen Körperteile abgehackt und ihr die Haut abgezogen, sodass von ihrer früheren Schönheit nichts mehr übrig war. Ihr Bauch war aufgeplatzt, und eine Darmschlinge lugte ein wenig hervor wie eine scheue Schlange.
Während er eine Winchester lud, konnte Matt seinen Blick nicht von der Gestalt in der Kiste lösen. Er wusste sofort, wer es war, obwohl er ihre Todesqualen nicht miterlebt hatte.
Er sah Caleb an. »Du Schwein!«
»So hat mich meine Mama auch immer genannt«, sagte Caleb.
Der Indianer verschwand vom Fenster.
Etwas krachte laut gegen die Tür.
Der hölzerne Querbalken bekam einen Riss.
Das Krachen wurde zu einem lauten, sich wiederholenden »Bumm!«.
Eine große Indianerfaust brach durchs Holz, dann suchten die langen Finger nach der Türklinke.
Caleb zielte und schoss dreimal mit dem Revolver in den Arm. Die Kugeln trafen, gingen aber einfach hindurch und blieben im dicken Türholz stecken. Immer noch wedelte die Hand suchend in der Luft herum wie ein Krake mit Fangarmen.
»Wirf die Winchester her!«, rief Caleb.
Matt, einer Ohnmacht nahe, folgte der Anweisung.
Caleb steckte den Revolver in seinen Gürtel, fing das Gewehr auf, lud es durch und schoss dreimal kurz hintereinander durch die Tür.
Der Arm hörte auf sich zu bewegen.
Vorübergehend. Dann presste er die Handfläche gegen das Holz und zog daran. Die Tür ächzte, knirschte und quietschte in den Angeln.
Schließlich gab sie nach, und der Indianer schleuderte sie auf die Straße. Einen Augenblick verharrte er im Türrahmen, und sein Gefolge spähte an ihm vorbei ins Innere.
Matt lud eine Schrotflinte (die halbe Patronenschachtel verschüttete er auf dem Boden) und schritt rückwärts zur offenen Zellentür.
Caleb blieb, wo er war. Dreimal feuerte er mit seiner Winchester. Alle drei Kugeln verschwanden sang- und klanglos in der Brust des Indianers.
Der Indianer lächelte.
Caleb feuerte weiter. Ein Schuss traf die linke Wange des Indianers und verpasste ihm dort ein schönes Loch, was ihn aber nicht weiter kümmerte.
»Du Scheißefresser!«, rief Caleb. »Komm und hol mich doch!« Caleb packte mit beiden Händen den Lauf und hob das Gewehr; im selben Moment schoss der Indianer pfeilschnell auf ihn zu.
Das Gewehr sauste herab, die große Klaue des Indianers umfasste den Kolben und riss es Caleb aus der Hand. Mit bloßen Händen brach der Indianer das Gewehr entzwei.
Caleb griff nach seinem Revolver.
Der Indianer griff nach Calebs Hand.
»Nicht nett«, sagte der Indianer. »Gar nicht nett.« Er drückte zu.
Caleb schrie, als seine Hand mit dem Revolvergriff zu einem Klumpen aus Fleisch, Elfenbein und Stahl zerquetscht wurde.
Mit einem beiläufigen Hieb schlug der Indianer Caleb zu Boden. Benommen starrte Caleb zu ihm empor. Der Indianer langte zu ihm herunter, bekam den Lederriemen mit den aufgefädelten Ohren zu fassen und riss ihn Caleb vom Hals. Dann wandte er sich zu seiner Gefolgschaft um, die ungeduldig im Eingang wartete. Er lächelte. »Essen«, sagte er, und die Toten strömten herein.
Caleb schrie, als sie über ihn herfielen. Zähne gruben sich in seine Kleidung, in seinen Hals, in seinen Bauch.
Er versuchte rückwärts davonzukriechen, aber sie hielten ihn fest. Als ein alter Mann sein Zahnlückengebiss in Calebs Arm schlug, brüllte er vor Schmerz.
Der Kopf einer Frau schnappte nach seinem Unterleib, zerfetzte sein Hemd, zerrte an seinem Fleisch. Ein kurzes Stück Darm glitschte grau aus der Wunde, und dann hatte die Frau es zwischen den Zähnen, stand auf, zog daran, wollte es abreißen. Eine zweite Frau biss den langgezogenen Darm in der Mitte durch, und schon balgten sich die beiden auf dem Schreibtisch wild um das abgebissene Stück, als stritten zwei gierige Blauhäher um einen langen saftigen Wurm.
Hände griffen in die offene Wunde, rissen die Gedärme heraus, Gesichter näherten sich Calebs Gesicht, und Fleischfetzen wurden ihm aus Wangen und Hals gerissen. Nur wenige Augenblicke grauenhaften Wütens, und Calebs Eingeweide waren im ganzen Sheriffsbüro verteilt, und er hörte endlich auf zu schreien.
Starr vor Angst hatte Matt sich in die Zelle
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