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Straße der Toten

Titel: Straße der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
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schießen zu können. Entscheidend war, so lange wie möglich die Stellung zu halten, und wenn sie sich zurückziehen mussten, so würden sie das schrittweise durch den breiten Mittelgang zum Rand des Podiums tun, bis zur Tür des Lagerraums im Keller, ihrer letzten Zuflucht, und unterwegs würden überall links und rechts Waffen greifbar sein.
    Sie zertrümmerten die Kirchenbänke der ersten paar Reihen, und mit Hämmern und Nägeln verbarrikadierten sie in aller Eile, wie wild gewordene Zimmerleute, die Fenster und die Eingangstür. Da die Zombies der Kirche vorerst keinen Schritt näher kamen, hatten sie genügend Zeit, sich gründlich auf den Ansturm vorzubereiten.
    Calhoun hielt einen Revolver in der Hand. »Ich hab in meinem ganzen Leben noch nie eine Waffe benutzt – das widerstrebt mir völlig.«
    »Jetzt sollten Sie sich mit ihr vertraut machen«, sagte der Reverend. »Und zwar wirklich vertraut. Sie wird bald Ihre wichtigste Freundin sein, wenn’s drauf ankommt.«
    Die Zombies standen draußen, nicht weit von den Fenstern entfernt, und starrten durch die Ritzen zwischen den aufgenagelten Brettern.
    »Worauf warten die denn noch?«, fragte Calhoun in die Runde.
    »Auf ihren Herrn und Meister«, sagte Doc. »Auf seinen Befehl.«
    »Doc«, sagte der Reverend, »wenn Sie irgendwas wissen, was uns nützen könnte, dann sagen Sie es jetzt.«
    Doc lehnte sich an die nächste Kirchenbank. »Also gut«, sagte er. »Ich spar mir die Einzelheiten und mach’s kurz. Erklären kann ich nichts davon, ich geb es nur wieder. Der Indianer ist ein Schamane, ein Zauberer oder Hexer. Er hat unseren Ort mit einem Fluch belegt und dafür gesorgt, dass ein Dämon von seinem Körper Besitz ergreift, sodass er nach seinem Tod noch weiterlebt und Rache nehmen kann. Der Dämon verleiht dem Indianer übernatürliche Kräfte. Die Kirche wird die Untoten eine Weile in Schach halten, aber nur, bis er kommt und sie antreibt. Und das wird er. Die Macht dieser Kirche widersetzt sich ihm, also wird er sein Fußvolk vorschicken. Wenn die nichts ausrichten können, wird er es selbst versuchen. Je näher der Morgen rückt, desto wahrscheinlicher ist es, dass er selbst angreift. Im Licht des Tages schwinden seine Kräfte. Dann können wir ihn ausfindig machen und vernichten, ohne dass er viel dagegen tun kann. Das Sonnenlicht ist Gift für ihn.
    Die Untoten sind wie ein Bienenschwarm, und er ist ihre Königin. Sie gehorchen nur einem Willen. Seinem. Wenn man ihr Gehirn zerstört, kann man sie aufhalten. Die Zauberkraft des Indianers bewirkt nur etwas in Körpern, deren Gehirn noch erhalten ist. Warum oder wie, weiß ich nicht. Genauso wenig wie ich weiß, warum in manche Heiltränke ein Krötenauge oder ein schwarzer Schmetterlingsflügel reingehört. Aber so ist es nun mal. Schießt ihnen in den Kopf oder schlagt ihnen richtig den Schädel ein, das hält sie auf.«
    »Und den Indianer?«, fragte David.
    »Der ist anders. Der Dämon beherrscht seinen Körper und hält ihn am Leben, ganz egal, was er alles abkriegt. Dem kann man nur mit Sonnenlicht beikommen oder mit geweihten Gegenständen. Allerdings muss die Person, die so einen Gegenstand benutzt, auch festen Glaubens sein. Wer zweifelt, wird scheitern.«
    Der Reverend legte seinen Arm um Abbys Schultern. »Sind Sie sich sicher, dass das alles so stimmt, Doc?«
    »Ach was, natürlich nicht«, sagte Doc. »Meinen Sie, ich kämpfe jeden Tag gegen Ghule? Ich hab’s in einem verdammten Buch gelesen.« Er überlegte kurz. »Eine Sache noch. Diese lebenden Toten – das ist wie eine ansteckende Krankheit. Von einem von denen gebissen zu werden, das ist wie ein Biss von einem tollwütigen Hund. Nur schlimmer. Ihr werdet dann genau wie sie. Falls ihr gebissen werdet, gebe ich euch den guten Rat: Gebt euch selbst die Kugel.«
    Zwei
    Die ganze Stadt war tot. Und die Toten lebten.
    Der Reverend spähte durch einen Spalt zwischen den Brettern und beobachtete sie. In San Francisco hatte er einmal gesehen, wie mindestens fünfzig Ratten auf dem gespannten Schiffstau ein vor Anker liegendes Schiff verlassen hatten. Daran musste er jetzt denken. Diese roten, hungrigen Augen. Der Zombie, der im wirklichen Leben Millie Johnson gewesen war, kam zum Schlitz im Bretterverschlag und blickte zum Reverend herein. Das Mädchen leckte sich mit einer aufgequollenen Zunge über die Lippen. Ein klebriger Rotzfaden hing ihr aus dem linken Nasenloch und berührte beinahe ihre linke Wange. Sie stöhnte leise, als wäre

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